Dienstag, 30. Juli 2013

Wenn mir im Grunde der Seele nicht noch so vieles ahndete, manchmal nur aufschwebte, daß ich hoffen könnte wenn Schönheit und Größe sich mehr in dein Gefühl webt, wirst du Gutes und Schönes thun, reden und schreiben, ohne daß du's weißt, warum.  


Einem Klugen widerfährt keine geringe Torheit.
 
 
Die meisten Menschen aber haben dunkle Begriffe, und wissen zur Not was sie tun.

Donnerstag, 25. Juli 2013


Auf Ihr sehr werthes Schreiben, mein Theuerster, habe wahrhaftest zu erwidern: daß das frühzeitige Scheiden Ihres trefflichen Vaters für mich ein großer persönlicher Verlust sey. Ich denke mir gar zu gern die wackeren Männer, welche gleichzeitig bestrebt sind, Kenntnisse zu vermelden und Einsichten zu erweitern, in voller Thätigkeit.

Wenn zwischen entfernten Freunden sich erst ein Schweigen einschleicht, sodann ein Verstummen erfolgt und daraus ohne Grund und Noth sich eine Mißstimmung erzeugt, so müssen wir darin leider eine Art von Unbehülflichkeit entdecken, die in wohlwollenden guten Charakteren sich hervorthun kann und die wir, wie andere Fehler, zu überwinden und zu beseitigen mit Bewußtseyn trachten sollten. Ich habe in meinen bewegten und gedrängten Leben mich einer solchen Versäumniß öfters schuldig gemacht und will auch in dem gegenwärtigen Fall den Vorwurf nicht ganz von mir ablehnen. Soviel aber kann ich versichern, daß ich es für den zu früh Dahingegangenen weder als Freund an Neigung, noch als Forscher an Theilnahme und Bewunderung je habe fehlen lassen, ja daß ich oft irgend etwas Wichtiges zur Anfrage zu bringen gedachte, wodurch denn auf einmal alle bösen Geister des Mißtrauens wären verscheucht gewesen.

Doch hat das vorüberrauschende Leben unter andern Wunderlichkeit auch diese, daß wir, in Thätigkeit so bestrebsam, auf Genuß so begierig, gar selten die angebotenen Einzelnheiten des Augenblicks zu schätzen und festzuhalten wissen.

Uns so bleibt denn im höchsten Alter uns die Pflicht noch übrig, das Menschliche, das uns nie verläßt, wenigstens in seinen Eigenheiten anzuerkennen und uns durch Reflexion über die Mängel zu beruhigen, deren Zurechnung nicht ganz abzuwenden ist.

Mich Ihnen und Ihren theuren Angehörigen zu geneigtem Wohlwollen bestens empfehlend.

ergebenst

Weimar den 3. Januar 1832.

J. W. v. Goethe.

Montag, 15. Juli 2013

Ich statuiere keine Erinnerung in eurem Sinne. Was uns irgend Großes, Schönes, Bedeutendes begegnet, muss nicht erst von außen her wieder erinnert, gleichsam erjagt werden. Es muss sich vielmehr gleich von Anfang her in unser Inneres verweben, mit ihm eins werden, ein neues besseres Ich in uns erzeugen und so ewig bildend in uns fortleben und schaffen. Es gibt kein Vergangenes, das man zurücksehnen dürfte, es gibt nur ein ewig Neues, das sich aus den erweiterten Elementen des Vergangenen gestaltet, und die echte Sehnsucht muss stets produktiv sein, ein neues Bessres erschaffen. 

Dienstag, 9. Juli 2013


Aber soll ich Ihnen eine wunderliche Empfindung bekennen? Selbst gegen die Bildnisse habe ich eine Art von Abneigung; denn sie scheinen mir immer einen stillen Vorwurf zu machen; sie deuten auf etwas Entferntes, Abgeschiedenes und erinnern mich, wie schwer es sei, die Gegenwart recht zu ehren. Gedenkt man, wieviel Menschen man gesehen, gekannt, und gesteht sich, wie wenig wir ihnen, wie wenig sie uns gewesen, wie wird uns da zumute! Wir begegnen dem Geistreichen, ohne uns mit ihm zu unterhalten, dem Gelehrten, ohne von ihm zu lernen, dem Gereisten, ohne uns zu unterrichten, dem Liebevollen, ohne ihm etwas Angenehmes zu erzeigen.
Und leider ereignet sich dies nicht bloß mit den Vorübergehenden. Gesellschaften und Familien betragen sich so gegen ihre liebsten Glieder, Städte gegen ihre würdigsten Bürger, Völker gegen ihre trefflichsten Fürsten, Nationen gegen ihre vorzüglichsten Menschen.
Niemand hat das Recht, einem geistreichen Manne vorzuschreiben, womit er sich beschäftigen soll.


Ade! – Warum sag ich dir nicht alles – Beste – Geduld Geduld hab mit mir!