Sonntag, 6. Mai 2012


An den Geist des Johannes Sekundus.

Lieber, heiliger, groser Küsser,
Der du mir's in lechzend athmender
Glückseeligteit fast vorgethan hast!
Wem soll ich's klagen? klagt ich dir's nicht!
Dir, dessen Lieder wie ein warmes Küssen
Heilender Kräuter mir unters Herz sich legten,
Dass es wieder aus dem krampfigen Starren
Erdetreibens klopfend sich erhohlte.
Ach wie klag ich dir's, dass meine Lippe blutet,
Mir gespalten ist, und erbärmlich schmerzet,
Meine Lippe, die soviel gewohnt ist
Von der Liebe süsstem Glück zu schwellen
Und, wie eine goldne Himmelspforte,
Lallende Seeligkeit aus und einzustammeln.
Gesprungen ist sie! Nicht vom Biss der Holden,
Die, in voller ringsumfangender Liebe,
Mehr mögt haben von mir, und mögte mich Ganzen
Ganz erküssen, und fressen, und was sie könnte!
Nicht gesprungen weil nach ihrem Hauche
Meine Lippen unheilige Lüfte entweihten.
Ach gesprungen weil mich, öden, kalten,
Über beizenden Reif, der Herbstwind anpackt.
Und da ist Traubensaft, und der Saft der Bienen,
An meines Heerdes treuem Feuer vereinigt,
Der soll mir helfen! Warrlich er hilft nicht
Denn von der Liebe alles heilendem
Gift Balsam ist kein Tröpfgen drunter

d. 2. Nov. 76.             G.

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