Montag, 26. Dezember 2011


Gaudeat ingrediens, laetetur et aede recedens,
His qui praetereunt det bona cuncta Deus. 1608.

Freudig trete herein und froh entferne dich wieder!
Ziehst du als Wandrer vorbey, segne die Pfade dir Gott.

Da gewiß höchsten Ortes so wie von ew. Hochwohlgeboren gnädig und geneigt aufgenommen wird, wenn ich den Zustand in dem ich mich befinde rein und treu auszusprechen wage, dasjenige was sich von selbst versteht bescheiden ablehne und die Betrachtungen zu denen ich aufgeregt werde zutraulich mittheile, so eröffne mit obigen zwey lateinischen Zeilen meinen gegenwärtigen Brief. Ich fand sie als Überschrift der Hauptpforte des Dornburger neu acquirirten Schlößchens, wo mir durch höchste Nachsicht in den traurigsten Tagen eine Zuflucht zu finden vergönnt worden.
Die Einfassung gedachter Thüre selbst ist nach Weise jener Zeit architektonisch-plastisch überreich verziert und gibt, zusammen mit der Inschrift, die Überzeugung, daß vor länger als zweyhundert Jahren gebildete Menschen hier gewirkt, daß ein allgemeines Wohlwollen hier zu Hause gewesen, wogegen auch diese Wohnung durch so viele Kriegs- und Schreckenszeiten hindurch aufrecht bestehend erhalten worden.
Bey meiner gegenwärtigen Gemüthsstimmung rief ein solcher Anblick die Erinnerung in mir hervor: gerade ein so einladend-segnendes Motto sey durch eine Reihe von mehr als funfzig Jahren der Wahlspruch meines verewigten Herrn gewesen, welcher, auf ein groß-bedeutendes Daseyn gegründet, nach seiner erhabenen Sinnesart jederzeit mehr für die Kommenden, Scheidenden und Vorüberwandelnden besorgt war als für sich selbst, der wie der Anordner jener Inschrift weniger seiner Wohnung, seines Daches gedachte als derjenigen, welche da zu herbergen, mit Gunst zu verabschieden oder vorbeygehend zu begrüßen wären. Hier schien es also, daß ich abermals bey ihm einkehre als dem wohlwollenden Eigenthümer dieses uralten Hauses, als dem Nachfolger und Repräsentanten aller vorigen gastfreyen und also auch selbst behaglichen Besitzer.
Die allgemeine traurige Stimmung dieser Stunden ließ mich den Werth solcher Betrachtungen doppelt fühlen und regte mich an, denenselben gleichfalls nachzugehen, als ich nach Verlauf von einigen Tagen und Nächten mich in's Freye zu wagen und die Anmuth eines wahrhaften Lustortes still in mich aufzunehmen begann.