Dienstag, 22. Dezember 2009

„Diese Ihre Naturtendenz,“ erwiderte Goethe, „ist freilich nicht geselliger Art; allein was wäre alle Bildung, wenn wir unsere natürlichen Richtungen nicht wollten zu überwinden suchen. Es ist eine grosse Torheit, zu verlangen, dass die Menschen zu uns harmonieren sollen. Ich habe es nie getan. Ich habe einen Menschen immer nur als ein für sich bestehendes Individuum angesehen, das ich zu erforschen und das ich in seiner Eigentümlichkeit kennen zu lernen trachtete, wovon ich aber durchaus keine weitere Sympathie verlange. Dadurch habe ich es nun dahin gebracht, mit jedem Menschen umgehen zu können, und dadurch allein entsteht die Kenntnis mannigfaltiger Charaktere sowie die nötige Gewandtheit im Leben. Denn gerade bei widerstrebenden Naturen muss man sich zusammennehmen, um mit ihnen durchzukommen, und dadurch werden alle die verschiedenen Seiten in uns angeregt und zur Entwickelung und Ausbildung gebracht, so dass man sich denn bald jedem Visavis gewachsen fühlt. So sollen Sie es auch machen. Sie haben dazu mehr Anlage als Sie selber glauben; und das hilft nun einmal nichts, Sie müssen in die grosse Welt hinein, Sie mögen sich stellen, wie Sie wollen.“

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