D. U V. D. G. v. B. s – st.
D.
Apropos! ich war auch bei Goethe, der mich mit ganz stärkerer
Verbindlichkeit und Freundlichkeit aufnahm, als das erste Mal. Ich war dafür
freier, kühner und weniger Gefühl, und darum in mich gegründeter. Er fragte
mich nach der Art meiner Arbeiten, weil es völlig seinen Kreis überschritte,
wie mir Fichte gefallen. Auf letzteres: »Er ist der größte neuere Scholastiker
– zum Poeten wird man geboren, aber zum Philosophen kann man sich machen, wenn
man irgend eine Idee zur transscendenten, fixen macht. – Die Neueren machen das
Licht zum Gegenstand, den es doch nur zeigen soll.« – Er wird nach sechs
Monaten den »Faust« vollenden; er sagt: Er könne sechs Monate seine Arbeit
voraussagen, weil er sich zu einer solchen Stimmung durch gescheidte leibliche
Diät vorbereite.
Der Chinese in Rom.
Einen Chinesen sah ich in Rom, die gesammten Gebäude,
Alter und neuerer Zeit,
schienen ihm lästig und schwer.
Ach! so seufzt’ er, die Armen! ich hoffe, sie sollen begreifen
Wie erst Säulchen von Holz
tragen des Daches Gezelt,
Daß an Latten und Pappen, und Schnitzwerk und bunter Vergoldung
Sich des gebildeten Aug’s
feinerer Sinn nur erfreut.
Siehe, da glaubt’ ich, im Bilde, so manchen Schwärmer zu schauen,
Der sein luftig Gespinnst mit
der soliden Natur
Ewigem Teppich vergleicht, den ächten, reinen Gesunden
Krank nennt, daß ja nur er
heiße, der Kranke, gesund.
Wenn Sie Zweifel an Goethe haben, so hab’ ich sie auch. Aber daß jemand
bedenkliche und schwierige Anlagen wie vor allem die unerträgliche
Sprunghaftigkeit von Anfang an so bewußt erkennt und sich selber als einen ihm
von Gott vertrauten Stoff so unbeschreiblich gewissenhaft zu Ende bildet, das
ist für mich ein Beispiel der Selbsterziehung, an dem ich mich beständig
aufrichte.