Donnerstag, 29. Februar 2024

 

Montag den 26. Mai 1793 von Frankfurt nach Höchst und Flörsheim; hier stand viel Belagerungsgeschütz. Der alte freie Weg nach Mainz war gesperrt, ich mußte über die Schiffbrücke bei Rüsselsheim; in Ginsheim ward gefüttert; der Ort ist sehr zerschossen; dann über die Schiffbrücke auf die Nonnenaue, wo viele Bäume niedergehauen lagen, sofort auf dem zweiten Teil der Schiffbrücke über den größern Arm des Rheins. Ferner auf Bodenheim und Oberulm, wo ich mich kantonierungsmäßig einrichtete und sogleich mit Hauptmann Vent nach dem rechten Flügel über Hechtsheim ritt, mir die Lage besah von Mainz, Kastel, Kostheim, Hochheim, Weißenau, der Mainspitze und den Rheininseln. Die Franzosen hatten sich der einen bemächtigt und sich dort eingegraben; ich schlief nachts in Oberulm.

Mittwoch, 28. Februar 2024

 

Dienstag den 27. Mai eilte ich, meinen Fürsten im Lager bei Marienborn zu verehren, wobei mir das Glück ward, dem Prinzen Maximilian von Zweibrücken, meinem immer gnädigen Herrn, aufzuwarten; vertauschte dann sogleich gegen ein geräumiges Zelt in der Fronte des Regiments mein leidiges Kantonierungsquartier. Nun wollt' ich auch die Mitte des Blockadehalbkreises kennen lernen, ritt auf die Schanze vor dem Chausseehaus, übersah die Lage der Stadt, die neue französische Schanze bei Zahlbach und das merkwürdig-gefährliche Verhältnis des Dorfes Bretzenheim. Dann zog ich mich gegen das Regiment zurück und war bemüht, einige genaue Umrisse aufs Papier zu bringen, um mir die Bezüge und die Distanzen der landschaftlichen Gegenstände desto besser zu imprimieren.

Dienstag, 20. Februar 2024

Seit vielen Jahren hat er an nichts, was außer ihm war, den mindesten Anteil genommen, ja fast auf nichts gemerkt; bloß in sich gekehrt, betrachtete er sein hohles, leeres Ich, das ihm als ein unermeßlicher Abgrund erschien.

Alle gesunden Menschen haben die Überzeugung ihres Daseins und eines Daseienden um sie her. Indessen gibt es auch einen hohlen Fleck im Gehirn, das heißt eine Stelle, wo sich kein Gegenstand abspiegelt, wie denn auch im Auge selbst ein Fleckchen ist, das nicht sieht. Wird der Mensch auf diese Stelle besonders aufmerksam, vertieft er sich darin, so verfällt er in eine Geisteskrankheit, ahnet hier Dinge aus einer andern Welt, die aber eigentlich Undinge sind und weder Gestalt noch Begrenzung haben, sondern als leere Nacht-Räumlichkeit ängstigen und den, der sich nicht losreißt, mehr als gespensterhaft verfolgen.

 

Falschheit nur und Verstellung ist dem Umgang der Menschen, / keiner erscheint, wie er ist. - Danke dem Himmel, mein Freund!

Donnerstag, 15. Februar 2024

Viel wurde über die Jubelfeier des Großherzogs gesprochen, besonders über die zu schlagende Medaille; Goethes Neigung zum Negiren und seine ungläubige Neutralität traten wieder recht entschieden hervor. Eine untergehende Sonne über einem Meere, sagte er, mit der Legende: »Auch im Untergehen bleibt sie dieselbe« (nach Nonnus), wäre ein für allemal das großartigste Symbol, aber wer wollte dazu rathen?

Donnerstag, 8. Februar 2024

 

Hierbei bekenn’ ich, daß mir von jeher die große und so bedeutend klingende Aufgabe: erkenne dich selbst, immer verdächtig vorkam, als eine List geheim verbündeter Priester, die den Menschen durch unerreichbare Forderungen verwirren und von der Tätigkeit gegen die Außenwelt zu einer innern falschen Beschaulichkeit verleiten wollten. Der Mensch kennt nur sich selbst, insofern er die Welt kennt, die er nur in sich und sich nur in ihr gewahr wird. Jeder neue Gegenstand, wohl beschaut, schließt ein neues Organ in uns auf.

Immer dieser eine arme Goethe! Weil er zehnmal mehr begriffen hat als die andern Deutschen, soll er gleich alles gewußt haben.

Es existiert eine Art Muckertum im Goethekultus, das nicht von Produzierenden, sondern von wirklichen Philistern, vulgo Laien, betrieben wird. Jedes Gespräch wird durch den geweihten Namen beherrscht, jede neue Publikation über Goethe beklatscht, er selbst aber nicht mehr gelesen, weshalb man auch die Werke nicht mehr kennt, die Kenntnis nicht mehr fortbildet. Dies Wesen zerfließt eines Teils in blöde Dummheit, andern Teils wird es wie die religiöse Muckerei als Deckmantel zur Verhüllung von allerlei Menschlichem benutzt, das man nicht merken soll. Zu alledem dient eben die große Universalität des Namens.