Montag, 30. März 2020

«Ja,» sagte Goethe, «die ›Elegien‹ liebt er besonders; er hat mich hier viel damit geplagt, ich sollte ihm sagen, was an dem Factum sei, weil es in den Gedichten so anmuthig erscheint, als wäre wirklich was Rechtes daran gewesen. Man bedenkt aber selten, daß der Poet meistens aus geringen Anlässen was Gutes zu machen weiß.»

Mittwoch, 18. März 2020


»Ich muß bewundern,« sagte ich, »wie Napoleon bei solcher Jugend mit den großen Angelegenheiten der Welt so leicht und sicher zu spielen wußte, als wäre eine vieljährige Praxis und Erfahrung vorangegangen.«

«Liebes Kind,» sagte Goethe, «das ist das Angeborene des großen Talents. Napoleon behandelte die Welt wie Hummel seinen Flügel; beides erscheint uns wunderbar, wir begreifen das eine so wenig wie das andere, und doch ist es so und geschieht vor unsern Augen. Napoleon war darin besonders groß, daß er zu jeder Stunde derselbige war. Vor einer Schlacht, während einer Schlacht, nach einem Siege, nach einer Niederlage, er stand immer auf festen Füßen und war immer klar und entschieden, was zu thun sei. Er war immer in seinem Element und jedem Augenblick und jedem Zustande gewachsen, so wie es Hummeln gleichviel ist, ob er ein Adagio oder ein Allegro, ob er im Baß oder im Discant spielt. Das ist die Facilität, die sich überall findet wo ein wirkliches Talent vorhanden ist, in Künsten des Friedens wie des Kriegs, am Klavier wie hinter den Kanonen.»
Die Zeitungen wurden gebracht, worein wir uns theilten, in Erwartung der Suppe.

Donnerstag, 12. März 2020

Die Deutschen aber gehen jeder seinem Kopfe nach, jeder sucht sich selber genug zu thun, er fragt nicht nach dem andern; denn in jedem lebt, wie Guizot richtig gefunden hat, die Idee der persönlichen Freiheit, woraus denn, wie gesagt, viel Treffliches hervorgeht, aber auch viel Absurdes.  
«Liebes Kind,» sagte Goethe, «ein Name ist nichts Geringes. Hat doch Napoleon eines großen Namens wegen fast die halbe Welt in Stücke geschlagen!»

«Eine eigene Zaubergewalt,» sagte ich, «mußte er in seiner Persönlichkeit haben, daß die Menschen ihm sogleich zufielen und anhingen und sich von ihm leiten ließen.»

«Allerdings,» sagte Goethe, «war seine Persönlichkeit eine überlegene. Die Hauptsache aber bestand darin, daß die Menschen gewiß waren, ihre Zwecke unter ihm zu erreichen. Deshalb fielen sie ihm zu, sowie sie es jedem thun, der ihnen eine ähnliche Gewißheit einflößt. Fallen doch die Schauspieler einem neuen Regisseur zu, von dem sie glauben, daß er sie in gute Rollen bringen werde. Dies ist ein altes Märchen, das sich immer wiederholt; die menschliche Natur ist einmal so eingerichtet. Niemand dient einem andern aus freien Stücken, weiß er aber, daß er damit sich selber dient, so thut er es gern. Napoleon kannte die Menschen zu gut, und er wußte von ihren Schwächen den gehörigen Gebrauch zu machen.»

Donnerstag, 5. März 2020

Das Böhmen ist ein eigenes Land, ich bin dort immer gern gewesen. Die Bildung der Literatoren hat noch etwas Reines, welches im nördlichen Deutschland schon anfängt selten zu werden, indem hier jeder Lump schreibt, bei dem an ein sittliches Fundament und eine höhere Absicht nicht zu denken ist.

Wir waren darauf noch eine Weile heiter beisammen, und Goethe bewirthete mich zuletzt noch mit vielem Honig, auch mit einigen Datteln, die ich mitnahm.  

Prächtige Gebäude und Zimmer sind für Fürsten und Reiche. Wenn man darin lebt, fühlt man sich beruhigt, man ist zufrieden und will nichts weiter.
 

Meiner Natur ist es ganz zuwider. Ich bin in einer prächtigen Wohnung, wie ich sie in Karlsbad gehabt, sogleich faul und untätig. Geringe Wohnung dagegen, wie dieses schlechte Zimmer, worin wir sind, ein wenig unordentlich ordentlich, ein wenig zigeunerhaft, ist für mich das Rechte; es läßt meiner inneren Natur volle Freiheit, tätig zu sein und aus mir selber zu schaffen.