Mittwoch, 31. Juli 2019
Dienstag, 23. Juli 2019
Die
chronikalischen Notizen von den Abenteuern der Schmeling-Mara haben freylich
den wahrhaften Charakter einer empirischen Welt; daher ist's um alles
Geschichtliche ein gar wunderliches unsicheres Wesen und es geht wirklich in's
Komische wenn man überdenkt wie man von längst Vergangenem sich mit Gewißheit
überzeugen will. Wir besitzen hier eine alte niedliche silberne Schaale, die
sich, wie eingegrabenes Bild und Inschrift beweist, von Kaiser Friedrich den
Ersten herschreibt. Es ist unbestritten ein Pathengeschenk, und doch können
sich die Gelehrten nicht vereinigen, wer eigentlich der Getaufte, wer der
Taufzeuge sey. Hierüber existiren nun schon fünf Meynungen, die man als Muster
des Scharfsinns und des Unsinns schätzen und halten kann; eine einzige ist gradsinnig
und plausibel.
Vorgenanntes
Buch gelesen mit besonderm Vergnügen. Concipirt und mundirt. Nebenstehendes
ausgefertigt: Herrn Garteninspector Sckell in Belvedere. – Herr
Salinendirector Glenck zum Neuenjahr Sole von Stotternheim bringend, und auf
Befragen über alle die neuen Bohrunternehmungen in Thüringen Auskunft gebend;
nicht weniger eine geognostische Tabelle in Bezug auf die verschiedenen
Salzformationen aufzeichnend. Verschiedene ihm vorgewiesene Mineralien
geognostisch ordnend und erklärend. Einige Fragen vorlegend, deren Beantwortung
überdenkend. Mittags für uns. Leo, Geschichte des jüdischen Staats fortgesetzt.
Abends Professor Riemer. Einige Abtheilungen gedachten Buches mit demselben
durchgelesen. Anderes Naheliegende besprochen. Späterhin fortgefahren an diesem
Lesen.
Donnerstag, 11. Juli 2019
Ich traf gegen 4 Uhr Hofrath Meyer bei Goethe an.
Letzterer war sehr munter, ja aufgeregt; wie ein Gewitter bei heiterm Himmel
suchte er sich seiner Kraftfülle durch geistige Blitze und Donnerschläge zu
entledigen. Knebeln über Meteorologie consultiren, äußerte Goethe, heiße den
Barometer über den Barometer befragen. Voltaire habe gesagt, die Erde sei eine
alte Coquette, die sich jung zu machen strebe. Die Atmosphäre sei auch so eine
Coquette, die eine zeitlang geregelten Gang affectire, aber bald sich dem
ersten besten Wind preis gebe.
Daß man über
Wellington's Omnipotenz als Premier-Minister jetzt schelte, sei absurd; man
sollte froh sein, daß er endlich seinen rechten Platz eingenommen; wer Indien
und Napoleon besiegt habe, möge wohl mit Recht über eine lumpige Insel
herrschen. Wer die höchste Gewalt besitze, habe Recht; ehrfurchtsvoll müsse man
sich vor ihm beugen. "Ich bin nicht so alt geworden, um mich um die
Weltgeschichte zu bekümmern, die das Absurdeste ist, was es giebt; ob dieser
oder jener stirbt, dieses oder jenes Volk untergeht ist mir einerlei; ich wäre
ein Thor, mich darum zu bekümmern.
Wenn Alexander
Humboldt und die andern Plutonisten mir's zu toll machen, werde ich sie
schändlich blamiren; schon zimmere ich Xenien genug im Stillen gegen sie; die
Nachwelt soll wissen, daß doch wenigstens ein gescheidter Mann in unserm
Zeitalter gelebt hat, der jene Absurditäten durchschaute. Ich finde immer mehr,
daß man es mit der Minorität, die stets die gescheidtere ist, halten muß."
Mittwoch, 10. Juli 2019
„Ihnen in Ihrer Heide“, erwiderte Goethe, „ist es freilich nicht so leicht geworden, und auch wir andern im mittleren Deutschland haben unser bißchen Weisheit schwer genug erkaufen müssen. Denn wir führen doch im Grunde alle ein isoliertes, armseliges Leben! Aus dem eigentlichen Volke kommt uns sehr wenig Kultur entgegen, und unsere sämtlichen Talente und guten Köpfe sind über ganz Deutschland ausgesät. Da sitzt einer in Wien, ein anderer in Berlin, ein anderer in Königsberg, ein anderer in Bonn oder Düsseldorf, alle durch fünfzig bis hundert Meilen voneinander getrennt, so daß persönliche Berührungen und ein persönlicher Austausch von Gedanken zu den Seltenheiten gehört. – Was dies aber wäre, empfinde ich, wenn Männer wie Alexander von Humboldt hier durchkommen und mich in dem, was ich suche und mir zu wissen nötig, in einem einzigen Tage weiter bringen, als ich sonst auf meinem einsamen Wege in Jahren nicht erreicht hätte.“
Montag, 1. Juli 2019
Als Meyer fragte, was
es denn eigentlich heißen wolle, Plutonist oder Neptunist, sagte Goethe: "O
danket Gott, daß Ihr nichts davon wißt, ich kann es auch nicht sagen, man
könnte schon wahnsinnig werden, es nur auseinander zu setzen. Ohnehin bedeutet
solch' ein Parteiname späterhin nichts mehr, löst sich in Rauch auf; die Leute
wissen schon jetzt nicht mehr, was sie damit bezeichnen wollen. Ihr müßt
verzeihen, wenn ich grob bin, ich schreibe jetzt eben in den Wanderjahren an
der Rolle des Jarno, da spiele ich eine Weile auch im Leben den Grobian fort."
Was soll es nur hier
in Weimar mit dem WitDöring werden? Man wird es schon bereuen, ihn hier zu
haben; in seinen Memoiren ist kein Funke Geist. Er ist zum steten Gefängniß von
der Natur bestimmt; darin spielt er seine Streiche. Wär' ich Fürst, ich ließ
ihn gleich wieder verhaften, damit er in sein Element zurück käme. Gesehen und
gesprochen hab' ich ihn wohl einmal, warum nicht? als Phänomen; aber ich wäre
ein Lump, wenn ich ihn zum zweiten Male sähe.
Der Großherzog
ergötzt sich an seinem Hiersein, um einmal wieder sich an einer Gefahr zu
laben, um einmal wieder einen zahmen Wolf zu haben, der unter seinen Hunden und
Schafen herum renommire.
Der Kerl hat meine
Abschiedsformel an ihn: ›Sie haben selbst drucken lassen, daß Sie verführerisch
seien und daß man sich nicht zu viel mit Ihnen einlassen müsse,‹ günstig für
sich gedeutet; das macht mir Spaß. Nun er erregt doch; darauf kommt Alles an,
sei es durch Haß oder Liebe. Man muß nur immer sorgen erregt zu werden, um
gegen die Depression anzukämpfen. Das ist auch bei jetziger deprimirender
Witterung der beste medicinische Rath. Wer mit mir umgehen will, muß zuweilen
auch meine Grobianslaune zugeben, ertragen, wie eines andern Schwachheit oder
Steckenpferd. Der alte Meyer ist klug, sehr klug; aber er geht nur nicht heraus,
widerspricht mir nicht, das ist fatal. Ich bin sicher, im Innern ist er noch
zehnmal zum Schimpfen geneigter als ich und hält mich noch für ein schwaches
Licht. Er sollte nur aufpoltern und donnern, das gäbe ein prächtiges
Schauspiel.
Mit
Johanna Schopenhauer
Hier,
caro amico (v. Holtei) das Opus der Voigt (Lebensgeschichte der Caroline
Kummerfeld geb. Schulz) ... Die darin vorkommenden Geschichten sind toll genug;
«Stella» verbürgt sich für die Wahrheit derselben, und ich, die ich die kleine,
alte, sehr rechtliche Heldin noch persönlich gekannt habe, möchte es ebenfalls
thun. Goethe hat mir erzählt, daß sie damals wirklich Furore gemacht, und wie
er als Student zum Sterben in sie verliebt gewesen und sich im Leipziger
Parterre die Hände fast wundgeklatscht habe, wenn sie in dem Weiße'schen
Trauerspiel als Julia auftrat und in der Scene, ehe sie den Trank nimmt, die
Ottern und Schlangen und Kröten von ihrem weißatlasnen Reifrock
herunterschlenkerte, die sie in ihrer Phantasie daran heraufkriechen sah.
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