Donnerstag, 31. Mai 2018


Nur dies Herz, es ist von Dauer,
Schwillt in jugendlichstem Flor;
Unter Schnee und Nebelschauer
Rast ein Ätna dir hervor.

Mittwoch, 30. Mai 2018


1818 kurte Goethe vom 26. Juli bis 13. September in Karlsbad. Goethes Diener Karl erhielt am 17. August den Auftrag, 2 Flaschen Wein zu besorgen und diese mit Gläsern an den beiden Fenstern seiner Unterkunft aufzustellen. Der getreue Diener tat, wie ihm geheissen war. Bei jedem Rundgang durchs Zimmer trank Goethe den Wein. Nach geraumer Zeit trat Goethes Hausarzt Wilhelm Rehbein, der ihn zur Kur begleitete hatte, ins Zimmer, und Goethe sagte zu ihm: „Ihr seid mir ein schöner Freund! Was für einen Tag haben wir heute und welches Datum?“ Rehbein antwortete: „Der 27. August.“ Der Dichterfürst wollte dies nicht glauben, er war der Meinung, es sei schon der 28. August, sein Geburtstag. Auch der herbeigeklingelte Diener Karl sagte, es sei der 27. August. Als Goethe schliesslich in einem Kalender nachsah und das von den beiden richtig erwähnte Datum bestätigt fand, sagte Goethe: „Donnerwetter! Da habe ich mich ja umsonst besoffen.“

Freitag, 25. Mai 2018


Danken wir Gott, dass wir so glückliche Augen haben, und lassen wir uns nichts vormachen.


Als Goethe 1806 in Karlsbad zur Kur weilte, kam er eines Morgens von einem Spaziergang zurück und sagte: «Man stößt in der Welt immer und allenthalben auf unsaubere Geister, da habe ich von fern einen Mann vorbeirutschen gesehen, der Kerl hat mich ordentlich erschreckt; ich glaubte den leibhaftigen Böttiger (Karl August Böttiger, 1760-1835, Archäologe, Direktor des Gymnasiums in Weimar, wegen Indiskretionen und Beleidigungen Goethe verhasst) erblickt zu haben.»  «O», erwiderte der Freund Graf Geßler, «Ihre Augen haben sich da nicht versehen, Sie haben wirklich den Leibhaftigen gesehen.» Bei diesen Worten rief Goethe aus, wie einer, der von einem Schrecken wieder aufatmet: «Gottlob, gottlob, das Gott nicht ein zweites solches Arschgesicht geschaffen hat.»
Am 2. März 1808 ereignete sich bei der Aufführung der Kleistschen Komödie «Der zerbrochene Krug» auf dem kleinen Hoftheater in Weimer etwas höchst Ungewöhnliches. Ein herzoglicher Beamter wagte es, das Stück in Anwesenheit des Herzogs Karl August und seiner Gemahlin auszupfeifen. Karl August, der seinen Platz auf dem sogenannte bürgerlichen Balkon hatte, bog sich über die Brüstung hinaus und rief: «Wer ist der freche Mensch, der sich untersteht, in Gegenwart meiner Gemahlin zu pfeifen? Husaren, nehmt den Kerl fest!» Dies geschah. 

Komm, süßer Mond, umklammre mich!

Montag, 14. Mai 2018

„Überhaupt“, meldet einer, der ihn oft sah, „war er heute in jener bitter-humoristischen Stimmung und sophistischen Widerspruchsart, die man so oft an ihm wahrnimmt.“ Da haben wir abermals die Negation, die Bosheit, den Widerspruchsgeist, die Medisance, von der der junge, sanfte Sulpiz Boisserée in seinem Tagebuch ein Lied zu singen weiß. „Um elf Uhr bin ich wieder bei Goethe, Das Lästern geht wieder an.“ Es geht her über Politisches, Ästhethisches, Gesellschaftliches, Religiöses, Deutschland, Frankreich, Philhellenismus, Parteiwesen und so fort, in einem Stil, daß sich der arme Boiserée „mit allen diesen moquanten Reden zuletzt wie auf dem Blocksberge vorkommt“.
Gestern ist auch Hölterlein bei mir gewesen , er sieht etwas gedrückt und kränklich aus, aber er ist wirklich liebenswürdig und mit Bescheidenheit, ja mit Ängstlichkeit offen.

An Christian Gottlob Voigt

Da Ew. Excellenz die Anstellung Färbers gütigst genehmigt haben, so wünscht der Bibliothekar aus Ursachen, die er mündlich vortragen wird, daß die Verpflichtung desselben bald geschehe. Nun ist aber Färber nicht allein bey der Bibliothek sondern auch bey den Museen einzuführen und anzustellen, und ich thue daher den unzielsetzlichen Vorschlag meinem Sohne dem Assessor den Auftrag zu diesem Geschäfte zu ertheilen, welches denn nach inliegender Note, welche zu diesen Zweck noch zu ajustiren wäre, geschehen und zugleich manches was schriftlich zu weitläufig wird, persönlich und mündlich abgethan werden kann. Genehmigen dieß Ew. Excellenz, so will ich das Nöthige besorgen.

Weimar den 26. April 1814.

Samstag, 12. Mai 2018

In Darmstadt befand sich übrigens eine Gesellschaft von sehr gebildeten Männern. Geheimerat von Hesse, Minister des Landgrafen, Professor Petersen, Rektor Wenck und andere waren die Einheimischen, zu deren Wert sich manche fremde Benachbarte und viele Durchreisende abwechselnd gesellten. Die Geheimerätin von Hesse und ihre Schwester, Demoiselle Flachsland, waren Frauenzimmer von seltenen Verdiensten und Anlagen, die letztre, Herders Braut, doppelt interessant durch ihre Eigenschaften und ihre Neigung zu einem so vortrefflichen Manne.


Dadurch kam ich mit jenen in einige Berührung, die sich, jung und talentvoll, zusammenhielten, und nachher so viel und mannigfaltig wirkten. Die beiden Grafen Stolberg, Bürger, Voß, Hölty und andere waren im Glauben und Geiste um Klopstock versammelt, dessen Wirkung sich nach allen Seiten hin erstreckte. In einem solchen, sich immer mehr erweiternden deutschen Dichterkreise entwickelte sich zugleich, mit so mannigfaltigen poetischen Verdiensten, auch noch ein anderer Sinn, dem ich keinen ganz eigentlichen Namen zu geben wüßte. Man könnte ihn das Bedürfnis der Unabhängigkeit nennen, welches immer im Frieden entspringt, und gerade da, wo man eigentlich nicht abhängig ist. Im Kriege erträgt man die rohe Gewalt so gut man kann, man fühlt sich wohl physisch und ökonomisch verletzt, aber nicht moralisch; der Zwang beschämt niemanden, und es ist kein schimpflicher Dienst, der Zeit zu dienen; man gewöhnt sich, von Feind und Freund zu leiden, man hat Wünsche und keine Gesinnungen. Im Frieden hingegen tut sich der Freiheitssinn der Menschen immer mehr hervor, und je freier man ist, desto freier will man sein. Man will nichts über sich dulden: wir wollen nicht beengt sein, niemand soll beengt sein, und dies zarte ja kranke Gefühl erscheint in schönen Seelen unter der Form der Gerechtigkeit. Dieser Geist und Sinn zeigte sich damals überall, und gerade da nur wenige bedrückt waren, wollte man auch diese von zufälligem Druck befrein, und so entstand eine gewisse sittliche Befehdung, Einmischung der einzelnen ins Regiment, die, mit löblichen Anfängen, zu unabsehbar unglücklichen Folgen hinführte.
Voltaire hat durch den Schutz, den er der Familie Calas angedeihen ließ, großes Aufsehn erregt und sich ehrwürdig gemacht. Für Deutschland fast noch auffallender und wichtiger war das Unternehmen Lavaters gegen den Landvogt gewesen. Der ästhetische Sinn, mit dem jugendlichen Mut verbunden, strebte vorwärts, und da man noch vor kurzem studierte, um zu Ämtern zu gelangen, so fing man nun an den Aufseher der Beamten zu machen, und die Zeit war nah, wo der Theater- und Romanendichter seine Bösewichter am liebsten unter Ministern und Amtleuten aufsuchte. Hieraus entstand eine halb eingebildete, halb wirkliche Welt von Wirkung und Gegenwirkung, in der wir späterhin die heftigsten Angebereien und Verhetzungen erlebt haben, welche sich die Verfasser von Zeitschriften und Tagblättern, mit einer Art von Wut, unter dem Schein der Gerechtigkeit erlaubten, und um so unwiderstehlicher dabei zu Werke gingen, als sie das Publikum glauben machten, vor ihm sei der wahre Gerichtshof: töricht! da kein Publikum eine exekutive Gewalt hat, und in dem zerstückten Deutschland die öffentliche Meinung niemanden nutzte oder schadete.