Montag, 22. Dezember 2014
Samstag, 20. Dezember 2014
»Mir ist ein neuer
Ausdruck eingefallen,« sagte Goethe, »der das Verhältnis nicht übel bezeichnet.
Das Klassische nenne ich das Gesunde, und das Romantische das Kranke. Und da
sind die Nibelungen klassisch wie der Homer, denn beide sind gesund und
tüchtig. Das meiste Neuere ist nicht romantisch, weil es neu, sondern weil es
schwach, kränklich und krank ist, und das Alte ist nicht klassisch, weil es
alt, sondern weil es stark, frisch, froh und gesund ist. Wenn wir nach solchen
Qualitäten Klassisches und Romantisches unterscheiden, so werden wir bald im
reinen sein.«
Das
Gespräch lenkte sich auf Bérangers Gefangenschaft. »Es geschieht ihm ganz
recht«, sagte Goethe. »Seine letzten Gedichte sind wirklich ohne Zucht und
Ordnung, und er hat gegen König, Staat und friedlichen Bürgersinn seine Strafe
vollkommen verwirkt. Seine früheren Gedichte dagegen sind heiter und harmlos
und ganz geeignet, einen Zirkel froher glücklicher Menschen zu machen, welches
denn wohl das Beste ist, was man von Liedern sagen kann.«
»Ich
bin gewiß,« versetzte ich, »daß seine Umgebung nachteilig auf ihn gewirkt hat
und daß er, um seinen revolutionären Freunden zu gefallen, manches gesagt hat,
was er sonst nicht gesagt haben würde. Euer Exzellenz sollten Ihr Schema
ausführen und das Kapitel von den Influenzen schreiben; der Gegenstand ist
wichtiger und reicher, je mehr man darüber nachdenkt.«»Er ist nur zu reich,« sagte Goethe, »denn am Ende ist alles Influenz, insofern wir es nicht selber sind.«
»Man hat nur darauf zu sehen,« sagte ich, »ob eine Influenz hinderlich oder förderlich, ob sie unserer Natur angemessen und begünstigend oder ob sie ihr zuwider ist.«
»Das ist es freilich,« sagte Goethe, »worauf es ankommt; aber das ist auch eben das Schwere, daß unsere bessere Natur sich kräftig durchhalte und den Dämonen nicht mehr Gewalt einräume als billig.«
Montag, 8. Dezember 2014
Im Jahre 1831 machte er sich den Spaß, eine
Zeitung von 1826 gebunden zu lesen. Bei solcher Wiederholung wird "für den
Menschen, der sich in den Kreis seiner Tätikgkeit zurückzieht," erst recht
klar, "daß man durch diese Tagesblätter zum Narren gehalten wurde, und daß
weder für uns, noch für die Unsrigen, besonders im Sinn einer höheren Bildung,
daher auch nicht das Mindeste abzuleiten war."
Die französischen Memoiren so wie Le Globe und
Le Temps habe ich auf einige Zeit beseitigt. Es fällt einem doch einmal auf daß
alles einen gar nichts angeht, daß man von dem Vergangenen ohngefähr soviel
weiß als ein anderer auch, und daß man durch die Kenntniß dessen, was der Tag
bringt, nicht klüger und nicht besser wird.
"Es ist ganz eins, in welchem Kreise ein
edler Mensch wirke, wenn er nur diesen Kreis genau kennen zu lernen und völlig
auszufüllen weiß. Wofür aber der Mensch nicht wirken kann, dafür sollte er auch
nicht ängstlich sorgen, nicht über Bedürfnis und Empfänglichkeit des Kreises
hinaus, in den ihn Gott und die Natur gestellt, anmaßlich wirken wollen. Alles
Voreilige schadet, die Mittelstufen zu überspringen, ist nicht heilsam, und
doch ist jetzo alles voreilig, und fast jedermann sprungweise zu verfahren
geneigt. Tue nur jeder an seiner Stelle das Rechte, ohne sich um den Wirrwarr
zu bekümmern, der fern oder nah die Stunden auf die unseligste Weise verdirbt,
so werden Gleichgesinnte sich bald ihm anschließen, und Vertrauen und wachsende
Einsicht von selbst immer größere Kreise bilden."
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