Mittwoch, 23. Juni 2010

Er könne sechs Monate seine Arbeit voraussagen, weil er sich zu einer solchen Stimmung durch geistliche und leibliche Diätetik vorbereite.
Anekdotisch verbürgt sind schweigsame Kutschfahrten der beiden Herren, bei denen Goethe angesichts der vorbeirollenden Landschaft irgendwann ein geräuspertes "Hm, hm" hören ließ, das von Meyer knapp genug mit "So ischt's" pariert wurde.
Laß die Schnuze von der Kunscht!
Du hascht nu eimol nüt der Muose Gunscht!

Dienstag, 22. Juni 2010

Heute früh ging ich mit dem festen, ruhigen Vorsatz, meine dichterischen Träume fortzusetzen, nach dem öffentlichen Garten, allein, eh ich michs versah, erhaschte mich ein anderes Gespenst, das mir schon diese Tage nachgeschlichen. Die vielen Pflanzen, die ich sonst nur in Kübeln und Töpfen, ja die größte Zeit des Jahres nur hinter Glasfenstern zu sehen gewohnt war, stehen hier froh und frisch unter freiem Himmel und, indem sie ihre Bestimmung vollkommen erfüllen, werden sie uns deutlicher. Im Angesicht so vielerlei neuen und erneuten Gebildes fiel mir die alte Grille wieder ein: ob ich nicht unter dieser Schar die Urpflanze entdecken könnte? Eine solche muß es denn doch geben! Woran würde ich sonst erkennen, daß dieses oder jenes Gebilde eine Pflanze sei, wenn sie nicht alle nach einem Muster gebildet wären. Ich bemühte mich zu untersuchen, worin denn die vielen abweichenden Gestalten voneinander unterschieden seien, und ich fand sie immer mehr ähnlich als verschieden und wollte ich meine botanische Terminologie anbringen, so ging das wohl, aber es fruchtete nicht, es machte mich unruhig, ohne daß es mir weiter half. Gestört war mein guter poetischer Vorsatz, der Garten des Alcinous war verschwunden, ein Weltgarten hatte sich aufgetan: Warum sind wir Neueren doch so zerstreut, warum gereizt zu Forderungen, die wir nicht erreichen noch erfüllen können!
Einen solchen Begriff zu fassen, zu ertragen, ihn in der Natur aufzufinden ist eine Aufgabe, die uns in einen peinlich süßen Zustand versetzt.
Sage ihm, daß ich den Hauptpunkt, wo der Keim stickt, ganz klar und zweifellos entdeckt habe, daß ich alles Übrige auch schon im Ganzen übersehe und nur noch einige Punkte bestimmter werden müssen. Die Urpflanze wird das wunderlichste Geschöpf von der Welt, über welches mich die Natur selbst beneiden soll. Mit diesem Modell und dem Schlüssel dazu kann man alsdann noch Pflanzen ins unendliche erfinden, die konsequent sein müßten, das heißt: die, wenn sie auch nicht existieren, doch existieren könnten und nicht etwa malerische oder dichterische Schatten und Scheine sind, sondern eine innerliche Wahrheit und Notwendigkeit haben. Dasselbe Gesetz wird sich auf alles übrige Lebendige anwenden lassen.
Und da ist mir eine Grille aufgestiegen, die ich auch für nichts anderes geben will, die ich aber nicht loswerden kann, wie man eben denn die Grille am wenigsten los wird. Ich sehe sie überall, als wenn es eine Wahrheit wäre.
Wohin ich gehe, find ich eine Bekanntschaft in einer neuen Welt, es ist alles, wie ich mir's dachte und alles neu. Eben so kann ich von meinen Beobachtungen, von meinen Ideen sagen. Ich habe keinen ganz neuen Gedanken gehabt, nichts ganz fremd gefunden, aber die alten sind so bestimmt, so lebendig, so zusammenhängend geworden, daß sie für neu gelten können - ein Pygmalionseffekt. Denn es geht, man darf wohl sagen, ein neues Leben an, wenn man das Ganze mit Augen sieht, das man teilweise in- und auswendig kennt. Alle Träume meiner Jugend seh ich nun lebendig.

Dienstag, 15. Juni 2010

Mir ist jetzt nur um die sinnlichen Eindrücke zu tun, die kein Buch, kein Bild gibt. Die Sache ist, dass ich wieder Interesse an der Welt nehme, meinen Beobachtungsgeist versuche und prüfe, wie weit es meinen Wissenschaften und Kenntnissen geht, ob mein Auge licht, rein und hell ist, wie viel ich in der Geschwindigkeit fassen kann, und ob die Falten, die sich in mein Gemüt geschlagen und gedrückt haben, wieder auszutilgen sind?

Sonntag, 13. Juni 2010

Diejenigen, welche mit den früheren Begebenheiten am Hofe genau bekannt waren, behaupteten, Goethe sei gleich bei seinem Auftritt in Weimar von der heftigsten Leidenschaft für die junge Fürstin ergriffen worden und habe sich zwischen dieser und Frau v. Stein indemselben Verhältnis wie sein Tasso befunden. 

Freitag, 11. Juni 2010

Meine Übung alle Dinge, wie sie sind, zu sehen und zu lesen, meine Treue das Auge Licht sein zu lassen, meine völlige Entäußerung von aller Prätention, machen mich hier höchst im Stillen glücklich. Alle Tage ein neuer merkwürdiger Gegenstand, täglich neue, große, seltsame Bilder und ein Ganzes, das man sich lange denkt und träumt, nie mit der Einbildungskraft erreicht.

Samstag, 5. Juni 2010

Nur ists sonderbar und manchmal machts mich fürchten, daß so gar viel auf mich gleichsam eindringt, dessen ich mich nicht erwehren kann, daß meine Existenz wie ein Schneeball wächst, und manchmal ists, als wenn mein Kopf es nicht fassen noch ertragen könnte, und doch entwickelt sich alles von innen heraus, und ich kann nicht leben ohne das.