Samstag, 20. Juni 2009

Ohne das Legionskreuz geht Goethe niemals, und von dem, durch den er es hat, pflegt er immer „mein Kaiser“ zu sagen!
Wenn ich die Summe von dem Wissenswerten in so mancher Wissenschaft, mit der ich mich mein ganzes Leben hindurch beschäftigt habe, aufschreiben wollte, das Manuskript würde so klein ausfallen, dass sie es in einem Briefcouvert nach Hause tragen könnten.
Ich habe Dir … von einer gewissen Madame Schopenhauer geschrieben … Mir ist sie durch Figur, Stimme und affektiertes Wesen fatal, aber Goethe versäumt keinen ihrer Tees, die sie zweimal alle Woche gibt. Nur die Wolzogen und ich haben ihn ein paarmal untreu gemacht.
Obgleich Goethes Frau ihm gesagt hat, dass das Mystische Goethen unerträglich sei, so liess er sich beigehn, ein Sonett auf Genua, wo er kürzlich gewesen, vorzubringen, in welchem die Scheibe des Vollmonds zur Hostie gemacht wird. Wie dies Goethe gehört hat, ist er, wie er selbst sagt, saugrob (im Wunderhorn heisst es sauhöflich) geworden. Werner hat sich zurückziehen müssen …

Sonntag, 14. Juni 2009

Übrigens ist alles in solcher Konfusion und Bewegung, dass die ästhetische Stimmung, die erforderlich wäre, den Roman nach unseren Wünschen zu vollenden, nur als eine Wundergabe erwartet werden kann. Indessen ist auch daran nicht ganz zu verzweifeln. Leben Sie recht wohl.
In der Dämmerung war ich ein halbes Stündchen bei Goethe. Er sass auf einem hölzernen Lehnstuhl vor seinem Arbeitstische; ich fand ihn in einer wunderbar sanften Stimmung, wie einer, der von himmlischem Frieden ganz erfüllt ist, oder wie einer, der an ein süsses Glück denkt, das er genossen hat und das ihm wieder in aller Fülle vor der Seele schwebt. Stadelmann musste mir einen Stuhl in seine Nähe setzen.
Wir sprachen darauf dies und jenes über vorhabende Arbeiten. Es war die Rede von seiner ›Reise über Frankfurt und Stuttgart nach der Schweiz‹, die er in drei Heften liegen hat und die er mir zusenden will, damit ich die Einzelnheiten lese und Vorschläge tue, wie daraus ein Ganzes zu machen. »Sie werden sehen,« sagte er, »es ist alles nur so hingeschrieben, wie es der Augenblick gab; an einen Plan und eine künstlerische Rundung ist dabei gar nicht gedacht, es ist, als wenn man einen Eimer Wasser ausgiesst.«
Stadelmann brachte zwei Wachslichter, die er auf Goethes Arbeitstisch stellte. Goethe ersuchte mich, vor den Lichtern Platz zu nehmen, er wolle mir etwas zu lesen geben. Und was legte er mir vor? Sein neuestes, liebstes Gedicht, seine ›Elegie‹ von Marienbad.

Samstag, 6. Juni 2009

Wie ich mich an Goethes herrlichem Gesicht, an diesen edlen, schönen Zügen geweidet habe! Sie schienen mir, bei allem Imposanten, milder als je; und ich war ohne Scheu, da er mich freunlich auf seinem Sofa neben sich niedersitzen hiess.
Jasper zeigt, dass Goethe mit seinem Faust den gefährlichen Typus eines Menschen ohne sozialen Alltag vorgestellt habe. Und tatsächlich erlebt Faust nur absolute Höhepunkte oder bedrohliche Tiefpunkte. Er ist konventionellen Normen enthoben und wird dafür nicht richtig zur Verantwortung gezogen.