Donnerstag, 26. Februar 2009

Das Innere des Hauses machte auf mich einen sehr angenehmen Eindruck; ohne glänzend zu sein, war alles höchst edel und einfach; auch deuteten verschiedene an der Treppe stehende Abgüsse antiker Statuen auf Goethes besondere Neigung zur bildenden Kunst und dem griechischen Altertum. Ich sah verschiedene Frauenzimmer, die unten im Hause geschäftig hin und wieder gingen; auch einen der schönen Knaben Ottiliens, der zutraulich zu mir herankam und mich mit großen Augen anblickte.

Samstag, 14. Februar 2009

Überdies war der tägliche Umgang mit ganz vorzüglichen Köpfen unter den Studierenden und das unaufhörliche besprechen der höchsten Gegenstände auf Spaziergängen und oft bis tief in die Nacht hinein, für mich ganz unschätzbar und auf meine immer freiere Entwicklung von günstigstem Einfluß.

Freitag, 13. Februar 2009

Könnte ich Dir doch den einen Nachmittag schildern, wo ich bis in den Abend hinein fünf volle Stunden bei ihm allein war. Er war vom Hofe gekommen, alle seine Hausgenossen waren spazieren gefahren, da schickte er zu mir mit den Worten: „ich solle ihm Gesellschaft leisten“. Als ich zu ihm ins Zimmer trat, fand ich ihn, schon wieder in seinem blauen, heimischen Ueberrock, seine Medaillen und Münzen durchmusternd; er gab mit freundlich die Hand und sah mir noch freundlicher ins Gesicht. Er sah so recht behaglich und gemütlich aus und war es auch in der Tat.
On the threshold immediately before the ante-chamber is inlaid in large letters: SALVE.
Dem herrlichen Goethe bin ich nun in meiner neuen Wohnung recht nahe, ich kann ihn täglich sehen und darf zu ihm kommen, wann ich will. Ich darf ihn um alles fragen, um jede Belehrung bitten, jeden Zweifel unverhohlen mitteilen. Gewöhnlich zweimal die Woche esse ich bei ihm, einmal abends, einmal mittags, aber auch sonst lässt er mich manchmal zu sich kommen, entweder zum Spazierengehn, oder wenn er Lust zu sprechen hat, oder dies oder jenes zeigen und erklären, oder auch, wenn meine Kräfte reichen, erklärt haben will.
Hätte Lorenz länger leben und eine fortschreitende stufenhafte Ausbildung des gegründeten Zustandes statthaben können, so würde die Geschichte von Florenz eins der schönsten Phänomene darstellen; allein wir sollen wohl im Lauf der irdischen Dinge die Erfüllung des schönen Möglichen nur selten erleben.
Einem tätigen, produktiven Geiste, einem wahrhaft vaterländisch gesinnten und einheimische Literatur befördernden Manne wird man es zugute halten, wenn ihn der Umsturz alles Vorhandenen schreckt, ohne daß die mindeste Ahnung zu ihm spräche, was denn Besseres, ja nur anderes daraus erfolgen solle. Man wird ihm beistimmen, wenn es ihn verdrießt, daß dergleichen Influenzen sich nach Deutschland erstrecken und verrückte, ja unwürdige Personen das Heft ergreifen.
So erinnere ich mich noch jetzt eines Tages, wo die Dame bei Goethe zu Besuch war, in einem Zimmer, das gerade unter dem meinigen lag, beide in überlautem und heftigem, fast leidenschaftlichem Gespräch begriffen gehört zu haben, wobei besonders sie so kreischend schrie und tobte, dass ich fürchtete, sie würde, nach oben die dünne Decke durchbrechend, gleich einer zornigen Fee, zum Dache hinaus in die Lüfte fahren. Goethe versicherte mir auch nachher, dass er sie durch seine Argumente so in die Enge getrieben, dass es beinah diesen Anschein gehabt hätte.

Sonntag, 8. Februar 2009

Ich glaube, Frau von Staël hat ihm das Bedürfnis beigebracht, wieder etwas gebildetere Frauen bei sich zu sehen, als bisher es seine Umgebung war.
Goethe hat aus lauter Freude, dass die Staël fort war, seine ihm bequemere Donna zwei Tage nacheinander durch alle Strassen auf dem Schlitten gefahren.
Ich sah ihm steif ins Auge, und es schien mir freundlicher und milder als jemals.

Freitag, 6. Februar 2009

Sie tadelte seine scheue Zurückgezogenheit, seine kalte, zurückstossende Verschlossenheit, kurz alles dasjenige, was Goethe, der die Weiber stets nur als Spielwerkzeuge ansehe, und bei wahrhaft geistreichen und witzigen Frauen, die ihn nicht anbeteten, sich stets übelbefinde, erst in dem Kreise der Frauen verlernen müsse, die sich selbst schätzen.
... er meinte, Ansichten über Dinge wechselten, wie die Tage. Nun sei diese an der Ordnung, dann jene, so wie im Homer an einem Tage Diomedes der Held sei, an einem andern Achilles usw. Der Unterschied, dass jene Meinung länger daure, jene kürzer, sei nicht anders, als wie Sommertage länger dauern, als Wintertage.
Mein Urteil über Goethe kommt mir gerade so vor, als wenn das Lamm dort am Bach dem Wolf, der’s eben fressen will, eine Lobrede hält. Ach, er hat eine Wolfs-Natur!
Manchmal fällt ihm so eine Visite ein, wie vom Himmel gefallen. ... Ich unterhielt ihn mit den Kupfern, die eben da lagen ... diese gefielen ihm sehr, und dann empfahl er sich wieder.
Aber so ist’s mit uns allen! Des Menschen Verdüsterungen und Erleuchtungen machen sein Schicksal! Es täte uns not, dass der Dämon uns täglich am Gängelband führte und uns sagte und triebe was immer zu tun sei. Aber der gute Geist verlässt uns und wir sind schlaff und tappen im dunkeln.Da war Napoleon ein Kerl! – Immer erleuchtet, immer klar und entschieden, und zu jeder Stunde mit der hinreichenden Energie begabt um das was er als vorteilhaft und notwendig erkannt hatte, sogleich ins Werk zu setzen. Sein Leben war das Schreiten eines Halbgottes von Schlacht zu Schlacht und von Sieg zu Sieg. Von ihm könnte man sehr wohl sagen, dass er sich in dem Zustand einer fortwährenden Erleuchtung befunden, weshalb auch sein Geschick ein so glänzendes war, wie es die Welt vor ihm nicht sah und vielleicht auch nach ihm nicht sehen wird.

Sonntag, 1. Februar 2009

Man hat im Verlauf dieses biographischen Vortrags umständlich gesehen, wie das Kind, der Knabe, der Jüngling sich auf verschiedenen Wegen dem Übersinnlichen zu nähern gesucht; erst mit Neigung nach einer natürlichen Religion hingeblickt, dann mit Liebe sich an eine positive fest geschlossen, ferner durch Zusammenziehung in sich selbst seine eignen Kräfte versucht und sich endlich dem allgemeinen Glauben freudig hingegeben. Als er in den Zwischenräumen dieser Regionen hin und wider wanderte, suchte, sich umsah, begegnete ihm manches, was zu keiner von allen gehören mochte, und er glaubte mehr und mehr einzusehen, dass es besser sei, den Gedanken von dem Ungeheuren, Unfasslichen abzuwenden.
Er glaubte in der Natur, der belebten und unbelebten, der beseelten und unbeseelten, etwas zu entdecken, das sich nur in Widersprüchen manifestierte und deshalb unter keinen Begriff, noch viel weniger unter ein Wort gefasst werden könnte. Es war nicht göttlich, denn es schien unvernünftig; nicht menschlich, denn es hatte keinen Verstand, nicht teuflisch, denn es war wohltätig; nicht englisch, denn es ließ oft Schadenfreude merken. Es glich dem Zufall, denn es bewies keine Folge; es ähnelte der Vorsehung, denn es deutete auf Zusammenhang. Alles, was uns begrenzt, schien für dasselbe durchdringbar; es schien mit den notwendigen Elementen unsres Daseins willkürlich zu schalten; es zog die Zeit zusammen und dehnte den Raum aus. Nur im Unmöglichen schien es sich zu gefallen und das Mögliche mit Verachtung von sich zu stoßen. Dieses Wesen, das zwischen alle übrigen hinein zu treten, sie zu sondern, sie zu verbinden schien, nannte ich dämonisch, nach dem Beispiel der Alten und derer, die etwas Ähnliches gewahrt hatten. Ich suchte mich vor diesem furchtbaren Wesen zu retten, indem ich mich, nach meiner Gewohnheit, hinter ein Bild flüchtete.