Donnerstag, 27. März 2008

Jetzt macht alles Verse; doch Goethe meint, es sei niemals weniger Poesie in der Welt gewesen, als eben jetzt.
Das Volk, meinten beide, sei nur zum Schlagen, nicht zum Raten zu gebrauchen; die höhere Einsicht der mit Allerhöchstem Zutrauen beehrten Staatsdiener müsse alles leiten, der Ruf nach Freiheit sei das Grundböse, das immer Kampf gegen Recht und Ordnung wolle. Goethe stand ganz auf dem einseitigen Standpunkte des ruhig Besitzenden, der im behaglichen Genuss des Erworbenen, der bestehenden Ruhe und Ordnung um keinen Preis gestört sein mag, Schultz schaute von der Höhe des Beamten herab, die nur Gehorsam gegen höhere Befehle kennt.

Dienstag, 25. März 2008

Die ungeheuerlichste Kultur, die ein Mensch sich geben kann, ist die Überzeugung, dass die andern nicht nach einem fragen.
Meine Zeit wich von mir ab.
Für das grösste Unheil unserer Zeit, die nichts reif werden lässt, muss ich halten, dass man im nächsten Augenblick den vorhergehenden vergisst, den Tag im Tage vertut, und so immer aus der Hand in den Mund lebt, ohne irgend etwas vor sich zu bringen. Haben wir doch schon Blätter für sämtliche Tageszeiten, ein guter Kopf könnte doch wohl noch eins und das andere interpolieren. Dadurch wird alles, was ein jeder tut, treibt, dichtet, ja was er vorhat, ins Öffentliche geschleppt. Niemand darf sich freuen oder leiden, als zum Zeitvertreib der übrigen; und so springt’s von Haus zu Haus, von Stadt zu Stadt, von Reich zu Reich und zuletzt von Weltteil zu Weltteil, alles veloziferisch.
Glaube, dass du mich liebst.
Nur fort! Es ist ein grosser Jammer!
Du sollst in deines Liebchens Kammer,
Nicht etwa in den Tod!

Montag, 24. März 2008

Es wäre ein herrliches Schauspiel zu sehen, wie die Welt sich in dieser Seele spiegelt. Sie sieht die Welt, wie sie ist, und doch durchs Medium der Liebe. So ist auch Sanftheit der allgemeinere Ausdruck.
Von dem Katzenreutihof reiseten wir wieder nach Zürich. Auf dem Heimweg weinte ich Freudentränen über mein namenloses Glück, von solchen Edeln geliebt zu werden; ich bat den Gott meiner Jugend, der mir oft schon aus dem tiefsten Elend ausgeholfen, um die Gnade, würdig zu werden der Liebe, mit der ich geliebt wurde.
Dies bleibt mir immer eine der ausserordentlichsten Erscheinungen meines Lebens.
Goethe ist, nach Heinses Ausdruck, Genie vom Scheitel bis zur Fusssohle; ein Besessener, füge ich hinzu, dem fast in keinem Falle gestattet ist, willkürlich zu handeln. Man braucht nur eine Stunde bei ihm zu sein, um es in höchstem Grade lächerlich zu finden, von ihm zu begehren, dass er anders denken und handeln soll, als er wirklich denkt und handelt. Hiermit will ich nicht andeuten, dass keine Veränderung zum Schöneren und Besseren in ihm möglich sei ….
Goethe sagte von Herder, er existirte in einem unaufhörlichen Blasenwerfen. – Auch zerplatzt ihm alles, und alles ekelt ihn im voraus an.
»Bist's?«
»Ich bin's!«
Goethe gesteht, dass er Frau von Stein ein Mieder entwendet habe, um daran nach Lust und Laune zu schnuppern.

Sonntag, 23. März 2008

Allerlei Spässe.
So wie am Ende ein grosses Individuum den Wissenschaften Face machen muss, so ist es am Ende auch nur das Individuum, welches originäre, primäre Vorstellungen hat, das eigentlich Schätzbare und das was zählt. Die andern erhalten ihre Vorstellungen nur als Reflex, als Widerschein. Sie kleiden sich in gewisse Vorstellungen, wissenschaftliche oder sittliche, wie in Modetrachten.
„Es geht im Kleinen wie im Großen. Folge! Das Einzige, wodurch alles gemacht wird und ohne das nichts gemacht werden kann, warum läßt sie sich so selten halten? Warum so wenig durch sich selbst und Andere hervorbringen?“
Bemerkung Goethes: Menschen, die ihr Gleiches lieben und aufsuchen, und wieder solche, die ihr Gegentheil lieben und diesem nachgehen.
Goethe äußerte: »Daß die Männer zum Dienen, die Weiber zu Müttern gezogen werden müßten. Das jetzige Unglück der Welt rühre doch meist davon her, daß sich alles zu Herren gebildet habe. Dies sei vom Mittelstand ausgegangen (vom Kaufmann, der reich, vom Bürger, der sich gebildet). Der Adel sei von jeher dienstpflichtig gewesen. Und der erste Staatsdiener, wie Joseph II. schon gesagt, sei der Fürst.«
»Gewiß nur der am empfindlichsten gewesen ist, kann der kälteste und härteste werden; denn er muß sich mit einem harten Panzer umgeben, um sich vor den unsanften Berührungen zu sichern; und oft wird ihm selbst dieser Panzer zur Last.«
Beim Abschied überreichte er jeder von uns mit verbindlichen Worten einen Strauss; ich bekam Reseda und eine Valeriana, die er „Herzenstrost“ oder „Herzensstärkung“ nannte. Als Sylvia meinte: die brauche sie nicht, entgegnete er: dass man Stärkung immer brauche.
„Könnte man mit die 35 Jahre wiedergeben, könnte man mir die Liebe zu dieser artigen Person (Corona Schröter) und die Freundschaft (den Herzog), kurz das Zärtliche wiedergeben, dann könnte vielleicht von einem neuen Orest (dem Herzog), von einem neuen Pylades (Goethe), von einer neuen Iphigenie die Rede sein - aber in Ermangelung alles dessen reduziert sich diese Forderung nur auf eine nichtige unverständliche Zumuterei.“
In die Zeit, in welcher ich die Stelle eines Sekretärs bei Goethe versah, fällt die Herausgabe seiner Werke letzter Hand, und derselbe diktierte mir dafür Neues und Umgearbeitetes, unter anderem auch „Wilhelm Meisters Wanderjahre“, wobei ich Gelegenheit hatte, die Kraft, Sicherheit und Klarheit seines Geistes in so hohen Jahren zu bewundern. Er tat dies so sicher, fliessend, wie es mancher nur aus einem gedruckten Buche zu tun imstande sein würde.
Wäre das ruhig und ohne äussere Störung und Unterbrechung geschehen, so würde ich kaum aufmerksam geworden sein. Dazwischen aber kam der Barbier, der Friseur (Goethe liess sich alle zwei Tage das Haar brennen, täglich frisieren), der Bibliotheksdiener, öfter der frühere Sekretär Goethes, der kürzlich verstorbene Bibliothekar Rat Kräuter, der Kanzlist, welche alle die Erlaubnis hatten, unangemeldet einzutreten. Der Kammerdiener meldete einen Fremden an, mit wlechem sich Goethe, falls der Annahme, längere oder kürzere Zeit unterhielt; dazwischen trat auch wohl jemand aus der Familie ein. Der Barbier und Friseur erzählten, was in der Stadt etwa passiert sei, der Bibliotheksdiener berichtete von der Bibliothek usw.
Wie beim Anklopfen das kräftige Herein! ertönte, beendigte ich den letzten Satz und wartete, bis der Anwesende sich wieder entfernte. Da wiederholte ich so viel, als mir für den Zusammenhang nötig schien, und das Diktieren ging bis zur nächsten Störung fort, als wäre nichts vorgefallen. Das war mir doch zu arg, und ich sah mich überall im Zimmer um, ob nicht irgendwo ein Buch, ein Konzept oder Brouillon läge, in das Goethe im Vorübergehen schaute (während des Diktierens wandelte derselbe nämlich ununterbrochen um den Tisch und den Schreibenden herum), aber niemals habe ich das Geringste entdecken können.
Als ich meine Verwunderung darüber gegen Hofrat Meyer, Goethes langjährigen Freund, äusserte, mit welchem ich täglich verkehrte, nahm er das als etwas ihm ganz Bekanntes auf und erzählte mir einen anderen Fall: Auf einer langsamen Fahrt von Jena nach Weimar habe ihm Goethe den ganzen Roman „Die Wahlverwandtschaften“ erzählend vorgetragen, und zwar in einer Weise fliessend, als habe er ein gedrucktes Exemplar vor sich; und doch sei damals noch kein Wort davon niedergeschrieben gewesen.
Während des Diktierens kam es auch nicht selten vor, dass Goethe plötzlich stehen blieb, wie man etwa tut, wenn man eine Gruppe Menschen oder einen andern Gegenstand unvermutet vor sich sieht, welche die augenblickliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Diese schien er sofort künstlerisch zu gestalten und zu gruppieren. Mit ausgebreiteten Händen und unter Beugung des Körpers nach der einen oder andern Seite brachte er den Gegenstand ins Gleichgewicht und in kunstgerechte Stellung. War ihm das gelungen, so rief er gewöhnlich: „So recht! ganz recht!“Anfangs wurde es mir fast unheimlich bei dieser Unterhaltung mit der unsichtbaren Gesellschaft, seinen eigenen Kunstgebilden.
Die Menge kann tüchtige Menschen nicht entbehren, und die Tüchtigen sind ihnen jederzeit zur Last.

Samstag, 22. März 2008

Exzellenz! Wollten Sie nicht die Güte haben ...
Mittags mit Goethe und Kaaz allein zu Tische.
Nach Tisch. Goethe äußerte: »Die Willkür des Genies läßt sich gar nicht bestimmen und abmessen. Genie kann im Schönen und Vollkommenen verbleiben, oder darüber hinausgehen ins Absurde.
Man könnte ein solches Genie, das innerhalb des Schönen bleibt, ein moralisches nennen, weil es eben das thut, was das moralische Wesen thut, innerhalb der Pflicht oder des moralischen Gesetzes zu verbleiben.
Die andern, insofern unmoralische, wohlgemerkt! nicht unsittliche. Es ist das tertium comparationis hier nur dies, daß beide in einem gewissen Maße, auf einer gewissen Mitte bestehen.
Und so wie die Menschen gewöhnlich mehr sittliche Ungeheuer bewundern und anstaunen als wahrhaft Sittliche, so auch mehr das extravagante Genie, das sich im Absurden gefällt, als das, welches im Schönen verbleibt.«
Ich sprach immer viel dazwischen und kam ihm oft zu Hilfe; denn er kann sich gemeinhin auf viele Wörter nicht besinnen und macht beständig Gesichter.
Das Genie kommt mir immer vor, wie eine Rechenmaschine; die wird gedreht, und das Resultat ist richtig; sie weiss nicht warum? oder wieso?
Goethe (aus einer andern Stube). »Sie haben mir einen Brief von Herrn Maimon gebracht?«
Ich: »Zu Befehl.«
Goethe: »heißen?«
Ich: »Veit«
Goethe: »Ich freue mich recht sehr.«
Ich: »Ich hatte schon vor anderthalb Jahren die Ehre, Sie zu sehen, durch eine Empfehlung des verstorbenen Hofraths Moritz.«
Goethe: »Ach ja! Auch ist mir Ihr Gesicht recht bekannt. Nun wie geht es denn Herrn Maimon?«
Ich sagte ihm hierauf sein jetziges Verhältniß und daß er nebenher von dem geringen Ertrag seiner Schriften lebt.
Goethe: »Ei, ei! Und er schreibt so starke Sachen und so hübsch.«
Ich: »Ja! und hat das schwerste Fach.«
Goethe: »Ganz gewiß, das schwerste von allen. Man kennt ihn gar nicht so recht; das Publikum ist gar klein. Ich wollte, er käme her.«
Ich: »Haben Sie seine neue Theorie gesehen, Herr Geheimerath?«
Goethe: »O wohl! Er hat mir auch seinen Plan zur Erfindungslehre geschickt; das muß er ausführen.«
Meint ihr, ein Sarg könnte mir imponieren? Kein tüchtiger Mensch lässt seiner Brust den Glauben an Unsterblichkeit rauben.
Man muss nur in die Hand blasen, dann geht’s schon!

Freitag, 21. März 2008

Ein ander Mal, es war im Sommer, 1809, wo ich Goethe Nachmittags besuchte, fand ich ihn bei milder Witterung wieder in seinem Garten sitzend. Kaaz, der Landschaftsmaler, den Goethe ausnehmend schätzte, war soeben da gewesen. Er saß vor einem kleinen Gartentische; vor ihm auf demselben stand ein langgehalstes Zuckerglas, worin sich eine kleine lebendige Schlange munter bewegte, die er mit einem Federkiele fütterte und täglich Betrachtungen über sie anstellte. Er behauptete, daß sie ihn bereits kenne und mit dem Kopfe näher zum Rande des Glases komme, sobald sie seiner ansichtig würde.
»Die herrlich verständigen Augen!« fuhr er fort. »Mit diesem Kopfe ist freilich manches unterwegs, aber, weil es das unbeholfene Ringeln des Körpers nun einmal nicht zuläßt, wenig genug angekommen. Hände und Füße ist die Natur diesem länglich ineinandergeschobenen Organismus schuldig geblieben, wiewohl dieser Kopf und diese Augen beides wohl verdient hätten; wie sie denn überhaupt manches schuldig bleibt, was sie für den Augenblick fallen läßt, aber späterhin doch wieder unter günstigen Umständen aufnimmt. Das Skelet von manchem Seethiere zeigt uns deutlich, daß sie schon damals, als sie dasselbe verfaßte, mit dem Gedanken einer höhern Gattung von Landthieren umging. Gar oft muß sie in einem hinderlichen Elemente sich mit einem Fischschwanze abfinden, wo sie gern ein paar Hinterfüße in den Kauf gegeben hätte, ja, wo man sogar die Ansätze dazu bereits im Skelet bemerkt hat.«
Ich kenne die Raupe und bescheide Euch morgen Nachmittag um dieselbe Stunde in den Garten hierher, wenn ihr etwas sehen wollt, was noch merkwürdiger ist als das Allermerkwürdigste, was Kotzebue in seinem merkwürdigsten Lebensjahre auf seiner weiten Reise bis Tobolsk irgend gesehen hat. Indeß laßt uns die Schachtel hier, worin sich unsere noch unbekannte, schöne Sylphide befindet und sich aufs prächtigste zu morgen anlegt, in irgend ein sonniges Fenster des Gartenhauses stellen! So! Hier stehst du, gutes, artiges Kind! Niemand wird dich in diesem Winkel daran hindern, deine Toilette fertig zu machen!
»Aber wie möchte ich nur,« hub Frau v. Goethe wieder aufs Neue an, indem sie einen Seitenblick auf die Schlange richtete, »ein so garstiges Ding um mich leiden, wie dieses, oder es gar mit eignen Händen groß füttern? Es ist ein so unangenehmes Thier. Mir graut jedes Mal, wenn ich es nur ansehe.«
»Schweig Du!« gab ihr Goethe zur Antwort, wiewohl er von Natur ruhig, diese muntere Lebendigkeit nicht ungern in seiner Umgebung hatte. »Ja!« indem er das Gespräch zu mir herübertrug, »wenn die Schlange ihr nur den Gefallen erzeigte, sich einzuspinnen und ein schöner Sommervogel zu werden, da würde von dem greulichen Wesen gleich nicht weiter die Rede sein.
Aber, liebes Kind, wir können nicht alle Sommervögel und nicht alle mit Blüthen und Früchten geschmückte Feigenbäume sein. Arme Schlange! Sie vernachlässigen dich! Sie sollten sich deiner besser annehmen! Wie sie mich ansieht! Wie sie den Kopf emporstreckt! Ist es nicht, als ob sie merkte, daß ich Gutes von ihr mit Euch spreche! Armes Ding! wie das drinnen steckt und nicht herauskann, so gern es auch wollte! Ich meine zwiefach: einmal im Zuckerglas und sodann in dem Hauptfutteral, das ihr die Natur gab.«
Jener Feigenbaum, diese kleine Schlange, der Cocon, der dort vor dem Fenster liegt und seine Zukunft ruhig erwartet, alles das sind inhaltschwere Signaturen; ja, wer nur ihre Bedeutung recht zu entziffern vermöchte, der würde alles Geschriebenen und alles Gesprochenen bald zu entbehren im Stande sein! Je mehr ich darüber nachdenke, es ist etwas so unnützes, so Müßiges, ich möchte fast sagen Geckenhaftes im Reden, daß man vor dem stillen Ernste der Natur und ihrem Schweigen erschrickt, sobald man sich ihr vor einer einsamen Felsenwand oder in der Einöde eines alten Berges gesammelt entgegenstellt!
Man denke sich die Natur, wie sie gleichsam vor einem Spieltische steht und unaufhörlich au double! ruft, d.h. mit dem bereits Gewonnenen durch alle Reiche ihres Wirkens glücklich, ja bis ins Unendliche wieder fortspielt. Stein, Thier, Pflanze, alles wird nach einigen solchen Glückswürfen beständig von neuem wieder aufgesetzt, und wer weiß, ob nicht auch der ganze Mensch wieder nur ein Wurf nach einem höhern Ziele ist?
Ew. Exzellenz erteilten mir an dem letzten herrlichen Abende, wo ich das Glück hatte, Sie in Jena zu sehn, die gnädige Erlaubnis, einmal wieder an sie schreiben zu dürfen.
Sein Blick ist hinreissend, und wenn vollends eine Träne sein Auge füllt, was ihm im Feuer seiner Begeisterung und bei seiner sittlichen Reizbarkeit nicht selten begegnet, so möchte gewiss jeder Jüngling ihm um den Hals fallen und jedes Mädchen an seine Brust.
„Pauline Gotter wird auch wahrscheinlich kommen.“
„So! was macht sie denn Gutes? Ist sie noch immer so munter, so närrisch? Macht sie den Menschen noch immer viel zu schaffen? Das ist so ihre Sache!“
Sollen, Wollen Können – diese Dinge gehören in aller Kunst zusammen, damit etwas gemacht werde. Häufig findet sich im Leben nur eins von diesen dreien oder zwei, als

Sollen und Wollen, aber nicht können;
Sollen und Können, aber nicht wollen;
Wollen und Können, aber nicht sollen;


d.h.
es will einer, was er soll, aber er kann's nicht machen;
es kann einer, was er soll, aber er will's nicht;

es will und kann einer, aber er weiß nicht, was er soll.

Donnerstag, 20. März 2008

Weiber scheinen keiner Ideen fähig, - kommen mir sämtlich vor wie die Franzosen, - nehmen überhaupt von den Männern mehr, als dass sie geben ....
Kohlrausch und ich kamen in einer Art von Ekstase zurück, und ich konnte den Abend vor Freuden kaum einschlafen.
Nun sprach er von seiner glücklichen Jugend; damals hätte man Jahre verlieren dürfen, jetzt keinen Tag; die Welt sei ernsthafter geworden; wie der Schiffbrüchige müssten wir uns an die Planke halten, die uns rettete, und die verlorenen Kisten und Kasten uns aus dem Sinne schlagen.
Ich habe nie eine so angenehme halbe Stunde erlebt.
„Wie in Rom ausser den Römern noch ein Volk von Statuen, so sei ausser dieser realen Welt noch eine Welt des Wahns viel mächtiger beinahe, in der die meisten leben.“
„Eine stille ernsthafte Frau ist übel daran mit einem lustigen Manne. Ein ernsthafter Mann nicht so mit einer lustigen Frau.“
Ich sagte dazu: „So dankt er Gott, dass er es nicht nötig hat, lustig zu sein.“

Dienstag, 18. März 2008

Aus dem persönlichen Umgang mit ihm kömmt in aller Ewigkeit nichts heraus.
Wer die Weiber hasst, ist im Grunde galanter gegen sie, als wer sie liebt; denn jener hält sie für unüberwindlich, dieser hofft noch mit ihnen fertig zu werden.
Ich sehe Goethe täglich beim Herzog, und ich kann Dir nicht sagen, wie seltsam mir der Mann wohlgefällt; noch ist mir niemand vorgekommen, der meinem Innern so wohltäte; ich kann ihn nicht ohne ein heimliches Lächeln betrachten! Ich spreche zu niemandem lieber als zu ihm ... Aus dem einen Auge blickt ihm ein Teufel, und seine Rede ist eine tiefe Ironie aller menschlichen Dinge; wenn er zuweilen im engen Kreise recht heiter ist und das Gespräch allmählich bunt wird, dann weist er uns zuweilen zurecht und nennt uns: ihr Kinder! ...
Goethe spricht leise und sehr gemessen, aber mit einer unglaublichen Sicherheit und funkelnden Augen, die seltsam genug mit der Ruhe und dem Masse in seinen Worten abstechen.
... ich erinnerte ihn an die Corona; er sprach über sie, ihr Talent, ihre ausdrucksvolle Schönheit lang, aber ganz still, mit tiefer zurückgedrängter Rührung.
Die ganze Welt ist voll armer Teufel, denen mehr oder weniger - angst ist. Andere, die den Zustand kennen, sehen geduldig zu, wie sie sich dabei gebärden. Es sagt keiner dem andern: das und das ist dein Zustand, und so musst du’s machen. ... Es verrät keiner dem andern die Handgriffe einer Kunst oder eines Handwerks, geschweige denn die vom Leben.

Montag, 17. März 2008

Sonntag, 16. März 2008

Es war in der Abenddämmerung im heissen Augustmonat, in Teplitz, er sass am offenen Fenster, ich stand vor ihm und hielt ihn umhalst, und mein Blick wie ein Pfeil scharf ihm ins Auge gedrückt blieb drin haften, bohrte sich tiefer und tiefer ein.
...
„Und willst denken, dass es Unvergessliches ist, Unsterbliches, was ich in dir erlebe, willst du das glauben?“
...
„Warum meinst du, dass es Strafe verdient? - soll man nicht das Schöne umfassen? ist es nicht die Aufgabe meines Lebens? - bin ich darum nicht der Dichter?“
Wie kräftig, gross, mild, überall ganz er selbst, in allem was er tut und denkt und spricht sein ganzes Gemüt gegenwärtig. Er hat mich recht von neuem mit Liebe und Ehrfurcht erfüllt. Ich weiss nichts, was so mit Lust und Freude am Leben erfüllen und so auf dem rechten Wege befestigen kann, als solch ein Anblick.

Samstag, 15. März 2008

Goethe aber blieb dort, wohin ihn sein literarischer Erfolg gebracht hatte, und verfing sich mehr und mehr im goldenen Käfig, in den sich der bunte Vogel hatte sperren lassen. So kann man ihn heute, seinen inneren Gang verkennend, als einen Kronzeugen bürgerlicher Fortschrittskultur vorzeigen.Dass dies überhaupt möglich ist, dass Goethe zum Denkmal erstarren konnte, ist nicht zuletzt seiner eigenen, fast unerschütterlichen Verhüllung anzulasten, die er staats- und selbsterhaltend betrieb, um der Qual der Leidenschaften zu entkommen.
In jeder grossen Trennung liegt ein Keim von Wahnsinn; man muss sich hüten, ihn nachdenklich auszubrüten und zu pflegen.
Alles, was im Subjekt ist, ist im Objekt und noch etwas mehr. Alles, was im Objekt ist, ist im Subjekt und noch etwas mehr.
Schliesslich ist kein Künstler normal. Auch Goethes höflicher, peripathetischer Stil ist nur Vordergrund. Dahinter ist alles problematisch und unausgeglichen, voller Widersprüche und Disharmonien. ... Goethe war viel eher einer der unglücklichsten Menschen, die es je gegeben hat, und darum schamhafter und strenger im Verbergen seines Unglücks als so viele andere.