Sonntag, 25. April 2021

Der Hofmeister gab ihm im stillen recht, der Geistliche im stillen unrecht, und die Kammermädchen, denen seine Gestalt reizend und seine Freigebigkeit respektabel war, hörten ihn gerne reden, weil sie sich durch seine Gesinnungen berechtigt glaubten, ihre zärtlichen Augen, die sie bisher vor ihm bescheiden niedergeschlagen hatten, nunmehr in Ehren nach ihm aufzuheben.

Die Bedürfnisse des Tages, die Hindernisse des Weges, die Unannehmlichkeiten der Quartiere führten die Gesellschaft gewöhnlich auf ein gegenwärtiges Interesse zurück, und die große Anzahl französischer und deutscher Ausgewanderten, die sie überall antrafen und deren Betragen und Schicksale sehr verschieden waren, gaben ihnen oft zu Betrachtungen Anlaß, wieviel Ursache man habe, in diesen Zeiten alle Tugenden, besonders aber die Tugend der Unparteilichkeit und Verträglichkeit zu üben.

Montag, 19. April 2021

Dorothea Schlegel. - "... wem ich aber vorzüglich einen Knuff gönnte, das ist der weimarische Saturnus, der so gegen sein eigen Fleisch wütet."

Freitag, 16. April 2021

Von Goethe wurde mir gestern ein tour de force erzählt, das beinahe unglaublich ist. Er habe sich ein paarmal über die Stirne gefahren, die Hände gerieben, in der Stube auf und ab gegangen und so von 4 Uhr nachmittags bis abends um 10 Uhr eine ganze Tragödie von fünf Akten seinem Schreiber aus dem Kopf fertig diktiert. 

Montag, 12. April 2021

Die Leidenschaft erhöht und mildert sich durchs Bekennen. In nichts wäre die Mittelstraße vielleicht wünschenswerter als im Vertrauen und Verschweigen gegen die, die wir lieben.   
Es gibt, sagt man, für den Kammerdiener keinen Helden. Das kommt aber bloß daher, weil der Held nur vom Helden anerkannt werden kann. Der Kammerdiener wird aber wahrscheinlich seinesgleichen zu schätzen wissen. 

Samstag, 10. April 2021

… es gibt so gar erschrecklich wenig wahre Verhältnisse überhaupt, und so wenig gehaltreiche Menschen, dass man einander, wenn man sich glücklicherweise gefunden, desto näher rücken sollte.
Das Ganze ist ein grosses musivisches Gedicht, eingelegte Arbeit (Lavor di comesso) in poetischer Prosa, eine Art Heroide, worin die Heldin die Rolle einer Sulamith, Sappho, Suleika, Heloise und Mignon in abwechselndem Durcheinander zu spielen für gut befunden hat; zwar ein höchst originelles Kunstwerk, das seines gleichen vergeblich sucht, aber kein authentisches Evangelium.

Samstag, 3. April 2021

»An eine Vernichtung ist gar nicht zu denken; aber von irgendeiner mächtigen und dabei gemeinen Monas unterwegs angehalten und ihr untergeordnet zu werden, diese Gefahr hat allerdings etwas Bedenkliches, und die Furcht davor wüßte ich auf dem Wege einer bloßen Naturbetrachtung meinesteils nicht ganz zu beseitigen.«

»Wundern kann es mich nicht, daß Menschen Hunde so lieben. Denn ein erbärmlicher Schuft ist wie der Mensch so der Hund.«


Freitag, 2. April 2021

Eines Tages machte die Baronesse die Bemerkung, daß man nicht deutlicher sehen könne, wie ungebildet in jedem Sinne die Menschen seien, als in solchen Augenblicken allgemeiner Verwirrung und Not. »Die bürgerliche Verfassung«, sagte sie, »scheint wie ein Schiff zu sein, das eine große Anzahl Menschen, alte und junge, gesunde und kranke, über ein gefährliches Wasser auch selbst zu Zeiten des Sturms hinüberbringt; nur in dem Augenblicke, wenn das Schiff scheitert, sieht man, wer schwimmen kann, und selbst gute Schwimmer gehen unter solchen Umständen zugrunde.«

Umgeben von diesen Besuchen, ward sie aufs angenehmste überrascht, als der Geheimerat von S. mit seiner Familie bei ihr ankam, ein Mann, dem die Geschäfte von Jugend auf zum Bedürfnis geworden waren, ein Mann, der das Zutrauen seines Fürsten verdiente und besaß. Er hielt sich streng an Grundsätze und hatte über manche Dinge seine eigene Denkweise. Er war genau im Reden und Handeln und forderte das gleiche von andern. Ein konsequentes Betragen schien ihm die höchste Tugend.