Montag, 20. Juni 2016
Wir kamen auf die Paria's-Gedichte zu sprechen und auf den ewigen Hang der Menschen zu Unterscheidung der Kasten. »Jeder Mensch,« sagte er, »schlägt die Vortheile der Geburt blos deßwegen so hoch an, weil sie etwas Unbestreitbares sind. Alles was man erwirbt, leistet, durch Anstrengung verdient, bleibt dagegen ewig von der Verschiedenheit der Urtheile und Ansichten abhängig. Eine Aussöhnung hierüber ist vergeblich, macht das Übel nur schlimmer, wie es z.B. die Bürger mit dem Luxus einer Hoftafel nicht versöhnt, wenn man einige aus ihrer Mitte zuweilen daran Theil nehmen läßt.«
Samstag, 18. Juni 2016
Das
Individuum gewinne hiernach in seiner höchsten Entfaltung überindividuellen
Rang, vermöge die Lebenserfahrungen ungezählter Individuen in sich aufzunehmen
und dabei zur Reife zu bringen, freilich assimiliert, in eine neue Einheit
überführt, erhalte und steigere doch das Genie in diesen Aneignungsprozessen
seinen Charakter oder die seinem Daimon entsprechende »Grundbestimmung«.
Wir streifen hier unversehens Goethes alten
Glauben an die »Entelechie«, die individuelle seelische Kraft, die,
unsterblich, zu ihrer Vervollkommnung immer neue Verbindungen eingehen müsse,
dabei schwächere »entelechische Monaden« in ihren Bann ziehe, ihrerseits aber
auch einer mächtigeren Hauptmonade untergeordnet werden könne. Die Möglichkeit
einer bloß energetischen Unsterblichkeit einmal unterstellt, scheint es jedoch
für Goethe selbst fraglich geblieben zu sein, inwiefern bei all den
Metamorphosen der Monaden, ihren Rangkämpfen und Abhängigkeiten (vom eigenen
Körper, von anderen Lebewesen oder gar Gestirnen) noch sinnvoll von
Individualität zu sprechen wäre .
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