Dienstag, 24. Mai 2011

Ich konnt' es nur mit schnellen Blicken wagen,
Denn alles schien zu brennen und zu glüh'n.
Da schwebte, mit den Wolken hergetragen,
Ein göttlich Weib vor meinen Augen hin,
Kein schöner Bild sah ich in meinem Leben,
Sie sah mich an und blieb verweilend schweben.

"Kennst du mich nicht?" sprach sie mit einem Munde,
Dem aller Lieb' und Treue Ton entfloß:
"Erkennst du mich, die ich in manche Wunde
Des Lebens dir den reinsten Balsam goß?"

Es war nie meine Art, gegen Institute zu eifern, das schien mir stets Überhebung, und es mag sein, dass ich zu früh höflich wurde. Kurz, es war nicht meine Art, und ich habe deshalb immer nur ein entferntes Ende der Stange leise berührt.
Es ist zu arg, und man kann diese Verfinsterung der Köpfe kaum begreifen. Und weil sie nun auf diesem Wege in der Kunst selbst keine Stütze haben, so suchen sie solche in der Religion und Partei; denn ohne beides würden sie in ihrer Schwäche gar nicht bestehen können.
„Es ist eigen,“ fuhr er fort, „ich habe doch so mancherlei gemacht, und doch ist keins von allen meinen Gedichten, das im lutherischen Gesangbuch stehen könnte.“ Ich lachte und gab ihm recht, indem ich mir sagte, daß in dieser wunderlichen Äußerung mehr liege als es den Anschein habe.
Heute bei Tisch sprachen wir über Cannings treffliche Rede für Portugal.
„Es gibt Leute,“ sagte Goethe, „die diese Rede grob nennen; aber diese Leute wissen nicht, was sie wollen, es liegt in ihnen eine Sucht, alles Große zu frondieren. Es ist keine Opposition, sondern eine bloße Frondation. Sie müssen etwas Großes haben, das sie hassen können. Als Napoleon noch in der Welt war, haßten sie den, und sie hatten an ihm eine gute Ableitung. Sodann als es mit diesem aus war, frondierten sie die heilige Allianz, und doch ist nie etwas Größeres und für die Menschheit Wohltätigeres erfunden worden. Jetzt kommt die Reihe an Canning. Seine Rede für Portugal ist das Produkt eines großen Bewußtseins. Er fühlt sehr gut den Umfang seiner Gewalt und die Größe seiner Stellung, und er hat recht, daß er spricht, wie er sich empfindet. Aber das können diese Sanskülotten nicht begreifen, und was uns andern groß erscheint, erscheint ihnen grob. Das Große ist ihnen unbequem, sie haben keine Ader es zu verehren, sie können es nicht dulden.“

Sonntag, 8. Mai 2011

Gleichwohl kam ich mit Scheu zu Göthe. Die Ostheim und jeder malte ihn ganz kalt für alle Menschen und Sachen auf der Erde - Ostheim sagte, er bewundert nichts mehr, nicht einmal sich - jedes Wort sei Eis, zumal gegen Fremde, die er selten vorlasse - er habe etwas steifes reichstädtisch Stolzes - bloß Kunstsachen wärmen noch seine Herznerven an (daher ich Knebel bat, mich vorher durch einen Mineralbrunnen zu petrifizieren und inkrustieren damit ich mich ihm etwan im vorteilhaften Lichte einer Statue zeigen könnte - Ostheim rät mir überall Kälte und Selbstbewußtsein an). Ich ging, ohne Wärme, aus bloßer Neugierde. Sein Haus (Palast) frappiert, es ist das einzige in Weimar in italienischem Geschmack, mit solchen Treppen, ein Pantheon voll Bilder und Statuen, eine Kühle der Angst presset die Brust - endlich tritt der Gott her, kalt, einsilbig, ohne Akzent. Sagt Knebel z.B., die Franzosen ziehen in Rom ein. «Hm!» sagt der Gott. Seine Gestalt ist markig und feurig, sein Auge ein Licht (aber ohne eine angenehme Farbe). Aber endlich schürete ihn, nicht bloß der Champagner sondern die Gespräche über die Kunst, Publikum etc. sofort an, und - man war bei Göthe. Er spricht nicht so blühend und strömend wie Herder, aber scharf-bestimmt und ruhig. Zuletzt las er uns - d.h. spielte er uns - ein ungedrucktes herrliches Gedicht vor, wodurch sein Herz durch die Eiskruste die Flammen trieb, so daß er dem enthusiastischen Jean Paul (mein Gesicht war es, aber meine Zunge nicht, wie ich denn nur von weitem auf einzelne Werke anspielte, mehr der Unterredung und des Beleges wegen,) die Hand drückte. Beim Abschied tat er´s wieder und hieß mich wiederkommen. Er hält seine dichterische Laufbahn für beschlossen. Beim Himmel wir wollen uns doch lieben. Ostheim sagt, er gibt nie ein Zeichen der Liebe. 1 000 000 Sachen hab´ ich Dir von ihm zu sagen. Auch frisset er entsetzlich. Er ist mit dem feinsten Geschmack gekleidet. - -

Goethe lachte wieder, und zwar sehr geheimnisvoll.

Donnerstag, 5. Mai 2011

Ich habe dieser Tage einen Brief von Mozart gelesen, wo er einem Baron, der ihm Kompositionen zugesendet hatte, etwa folgendes schreibt: „Euch Dilettanten muss man schelten, denn es finden bei Euch gewöhnlich zwei Dinge statt: entweder Ihr habt keine eigenen Gedanken, und da nehmet Ihr fremde; oder wenn Ihr eigene Gedanken habt, so wisst Ihr nicht damit umzugehen.“ Ist das nicht himmlisch? Und gilt dieses grosse Wort, was Mozart von der Musik sagt, nicht von allen übrigen Künsten?“
„Unsern jungen Malern,“ fuhr Goethe fort, „fehlt es an Gemüt und Geist; ihre Erfindungen sagen nichts und wirken nichts! sie malen Schwerter, die nicht hauen, und Pfeile, die nicht treffen, und es dringt sich mir oft auf, als wäre aller Geist aus der Welt verschwunden.“
„Ich habe nun,“ fuhr Goethe fort, „der deutschen Malerei über fünfzig Jahre zugesehen, ja nicht bloß zugesehen, sondern auch von meiner Seite einzuwirken gesucht, und kann jetzt so viel sagen, daß, so wie alles jetzt steht, wenig zu erwarten ist. Es muß ein großes Talent kommen, welches sich alles Gute der Zeit sogleich aneignet und dadurch alles übertrifft. Die Mittel sind alle da, und die Wege gezeigt und gebahnt. Haben wir doch jetzt sogar auch die Phidiasse vor Augen, woran in unserer Jugend nicht zu denken war. Es fehlt jetzt, wie gesagt, weiter nichts als ein großes Talent, und dieses, hoffe ich, wird kommen; es liegt vielleicht schon in der Wiege und Sie können seinen Glanz noch erleben.“