Montag, 20. Juli 2009

Gegen Abend sendete Goethe mir eine Einladung, ihn zu besuchen. Humboldt sei an Hof, und ich würde ihm daher um so willkommener sein. Ich fand ihn noch wie vor einigen Tagen in seinem Lehnstuhl sitzend; er reichte mir freundlich die Hand, indem er mit himmlischer Sanftmut einige Worte sprach. Ein grosser Ofenschirm stand ihm zur Seite und gab ihm zugleich Schatten vor den Lichtern, die weiterhin auf dem Tisch standen. Auch der Herr Kanzler trat herein und gesellte sich zu uns.
Ein Volk, das ein Morgenblatt, eine Elegante Zeitung, einen Freimütigen p. habe, und Leser dazu, sei schon rein verloren.
Nach Tisch kam die Elsermann. Streit mit ihr über die Weiber und ihre Einbildung von sich.
»Weiber haben keine Ironie, können nicht von sich selbst lassen. Daher ihre sogenannte größere Treue, weil sie sich selbst nicht überwinden können, und sie können es nicht, weil sie bedürftiger, abhängiger sind als die Männer.«
Wenn man sie sah, konnte man nicht begreifen, wie sie Goethes Geliebte geworden war. Sie glich weder Lotten, noch Klärchen, noch Gretchen, weder den Leonoren, noch der Iphigenie; wenn sie überhaupt einer der Goetheschen Gestalten glich, so glich sie der Braut von Korinth, aber in entgegengesetzter Bedeutung, denn nicht der Geist, sondern der Körper spukte. Für Poesie hatte sie durchaus keinen Sinn, und Goethe sagte einmal selbst im Scherz: „Es ist doch wunderlich, die Kleine kann gar kein Gedicht verstehen.“
„Der Herr Geheimrat und ich“, - soll sie einmal gesagt haben - „wir sitzen immer und sehen einander an. Das wird am Ende langweilig.“

Sonntag, 19. Juli 2009

Goethe hatte das Jenaische Commissoriale sehr übel genommen. »Ich bin zu alt, um mit mir Farcen und Possen spielen zu lassen.« Er gab mir bei dieser Gelegenheit viele Beweise seines offenen Vertrauens und sprach dann noch lange von der Theatergeschichte. »Es ist unglaublich, wie der Umgang der Weiber herabzieht.« Wenn er die Jagemann alle acht Tage hätte sprechen und persönlich influiren wollen, würde es gegangen sein, da sie aber ohne alle Consequenz und Plan sei, nur eine Rolle spielen, leben, genießen wolle, so ruinire sie jedes Verhältniß, jede Häuslichkeit, in die sie trete, ohne eigentlich böse zu sein.

Mittwoch, 15. Juli 2009

Bei Goethe. »Ich studire,« sprach er, »jetzt die ältere französische Literatur ganz gründlich wieder, um ein ernstes Wort mit den Franzosen reden zu können. Welche unendliche Cultur,« rief er, »ist schon an ihnen vorübergegangen zu einer Zeit, wo wir Deutsche noch [232] ungeschlachte Bursche waren. Deutschland ist nichts, aber jeder einzelne Deutsche ist viel, und doch bilden sich letztere gerade das Umgekehrte ein. Verpflanzt und zerstreut wie die Juden in alle Welt müssen die Deutschen werden, um die Masse des Guten ganz und zum Heile aller Nationen zu entwickeln, die in ihnen liegt.«

Dienstag, 14. Juli 2009

„Sie sehen das Produkt eines höchst leidenschaftlichen Zustandes,« fügte er hinzu; »als ich darin befangen war, hätte ich ihn um alles in der Welt nicht entbehren mögen, und jetzt möchte ich um keinen Preis wieder hineingeraten.“

Dienstag, 7. Juli 2009

Ich ging gegen Abend, um Goethe zu besuchen, hörte aber unten im Hause, der preussische Staatsminister von Humboldt sei bei ihm, welches mir lieb war, in der Überzeugung, dass dieser Besuch eines alten Freundes ihm die wohltätigste Aufheiterung gewähren würde.
Vor dem Dinge, das man das Publikum nennt, hat er eine souveräne Verachtung. Es freuet ihn, wenn er dem Ungeheuer Brocken hinwerfen kann, an welches es sich die Zähne blutig beisst. Ich kenne ihn lange, von innen wie von aussen.
Als er gegangen war, sprach Goethe sehr gut über ihn und sagte dann: »Alle diese vortrefflichen Menschen, zu denen Sie nun ein angenehmes Verhältnis haben, das ist es, was ich eine Heimat nenne, zu der man immer gerne wieder zurückkehrt.«
Und dann: solange man sich im Allgemeinen hält, kann es uns jeder nachmachen; aber das Besondere macht uns niemand nach. Warum? Weil es die anderen nicht erlebt haben.
Als ich ausgelesen, trat Goethe wieder zu mir heran. »Gelt,« sagte er, »da habe ich Euch etwas Gutes gezeigt. In einigen Tagen sollen Sie mir darüber weissagen.«

Sonntag, 5. Juli 2009

Zum Rauchen gehört auch das Biertrinken, damit der erhitzte Gaumen wieder abgekühlt werde. Das Bier macht das Blut dick und verstärkt zugleich die Berauschung durch den narkotischen Tabaksdampf. So werden die Nerven abgestumpft und das Blut bis zur Stockung verdickt. Wenn es so fortgehen sollte, wie es den Anschein hat, so wird man nach zwei oder drei Menschenaltern schon sehen, was diese Bierbäuche und Schmauchlümmel aus Deutschland gemacht haben. An der Geistlosigkeit, Verkrüppelung und Armseligkeit unserer Literatur wird man es zuerst bemerken.