Freitag, 31. Oktober 2008

Goethe macht eine Idylle in einem durchaus eignen und rührenden Ton. Sie würden wie ich bei der simplen Erzählung weinen.
Die Idee dazu hat er zwar mehrere Jahre schon mit sich herumgetragen, aber die Ausführung, die gleichsam unter meinen Augen geschah, ist mit einer mir unbegreiflichen Leichtigtkeit und Schnelligkeit vor sich gegangen, so dass er neun Tage hintereinander jeden Tag über anderthalb hundert Hexameter niederschrieb.

Samstag, 4. Oktober 2008

Nachmittags kam Goethe, um mit mir zu Sarah und Marianna zu gehen; bis ich fertig war, liess er Lotte lesen. Er hat so viel Kindlichkeit und Einfalt in seinem Wesen wie alle erhabenen Geister.
Goethe sah recht ennuyiert aus, der Herzogin wurde es ganz weh dabei; da ich aber gar keinen Respekt vor den schönen Geistern mehr habe, so sprach ich die Kreuz und die Quer, und es ging die Stunde ziemlich frisch vorüber.
Goethe ist ein Vulkan, aussen überschneit, innen vol geschmolzner Materie. Charlotte von Kalb sagte, er bewundert nichts mehr, nicht einmal sich – jedes Wort sei Eis, zumal gegen Fremde, die er selten vorlasse. 
Es ist etwas Unstetes und Misstrauisches in seinem ganzen Wesen, wobei sich niemand in seiner Gegenwart wohl befinden kann.
Wir sitzen von Abend um fünf Uhr bis nachts zwölf, auch ein Uhr beisammen und schwatzen.
Goethe sah ich noch nicht; er ist aber wieder hier. Meyer sagte mir, er habe schon längst mich besuchen, mich zu sich einladen wollen; aber sein Missstand mit der ganzen Sozietät hier macht, dass er auch für mich verloren ist. Das könnte, das sollte anders sein.

Donnerstag, 2. Oktober 2008

Er hat sehr viel mimisches Talent und kann aussehen wie der lebendige Miltonische Teufel, doch ist’s schade um ein so edles Gebilde, es verzerrt zu sehen! Mittags mit meiner kleinen „Heidelbeere“ Levin geschwatzt, es ist ein herziges, sinnvolles Wesen, die so rein und unbefangen aus dem Schatz ihres guten Herzens mitteilt. Fräulein von Bradele, Hofdame aus Dresden. Eine Bacchantin aus der niederländischen Schule. Goethe studiert sie ....
... Freundschaft werde durch Verhältnisse genährt, und wenn diese sich änderten oder aufhörten, stürbe sie Hungers. Ich ward zur Salzsäule!
… „die Gegenwart ist die einzige Göttin, die ich anbete“, sagte er …
... denn seine Gleichgültigkeit ohne Heiterkeit und dass er schon so ganz mit den Menschen abgerechnet hat, ist mir schrecklich.
Das Glück hat ihn verzogen und die Weiber. Er hat geschwelgt, ohne zu geniessen, genommen ohne zu geben, ob je in seinem Herzen der reine Ton der Liebe wieder erklingen wird? Er hat viel geredet und immer als ob’s halb im Scherz wäre, aber im bittern Scherz herrliche Sachen gesagt über Kunst, Epigramme, Elegisches, Improvisieren, Liebe als Mittel zum Zweck, über Hoffnung, die in ihm erstorben ist, von seiner äussersten Empfänglichkeit durch Phantasie bei Gelegenheit der Kupfer zu Wielands Werken.
Wenn sie vor dem Druck in die Hände mehrerer Freunde gegeben worden, so würde man vielleicht den Autor vermocht haben, einige zu rüstige Gedanken, die er wörtlich ausgedrückt hat, bloss erraten zu lassen; andere in geschmeidigeren Wendungen mitzuteilen, noch andere ganz zu unterdrücken.