Sonntag, 10. August 2025
Ich gab Goethen über diesen herrlichen Brief meine innige Freude zu
erkennen. »Sie sehen,« sagte Goethe, »was für ein bedeutender Mensch er war.
Aber wie gut ist es von Humboldt, daß er diese wenigen letzten Züge aufgefaßt,
die wirklich als Symbol gelten können, worin die ganze Natur des vorzüglichsten
Fürsten sich spiegelt. Ja, so war er! Ich kann es am besten sagen, denn es
kannte ihn im Grunde niemand so durch und durch wie ich selber. Ist es aber
nicht ein Jammer, daß kein Unterschied ist und daß auch ein solcher Mensch so
früh dahin muß? Nur ein lumpiges Jahrhundert länger, und wie würde er an so
hoher Stelle seine Zeit vorwärts gebracht haben!»
«Aber wissen Sie was? Die Welt soll nicht so rasch zum Ziele als wir
denken und wünschen. Immer sind die retardirenden Dämonen da, die überall
dazwischen- und überall entgegentreten, sodaß es zwar im ganzen vorwärts geht,
aber sehr langsam. Leben Sie nur fort, und Sie werden schon finden, daß ich
recht habe.«
»Die Entwickelung der Menschheit,« sagte ich, »scheint aus Jahrtausende
angelegt.«
»Wer weiß,« erwiderte Goethe, »vielleicht auf Millionen! Aber laß die
Menschheit dauern so lange sie will, es wird ihr nie an Hindernissen fehlen,
die ihr zu schaffen machen, und nie an allerlei Noth, damit sie ihre Kräfte
entwickele. Klüger und einsichtiger wird sie werden, aber besser, glücklicher
und thatkräftiger nicht oder doch nur auf Epochen.
Ich sehe die Zeit kommen, wo Gott keine Freude mehr an ihr hat und er abermals
alles zusammenschlagen muß zu einer verjüngten Schöpfung. Ich bin gewiß, es ist
alles danach angelegt, und es steht in der fernen Zukunft schon Zeit und Stunde
fest, wann diese Verjüngungsepoche eintritt. Aber die dahin hat es sicher noch
gute Weile, und wir können noch Jahrtausende und aber Jahrtausende aus dieser
lieben alten Fläche, wie sie ist, allerlei Spaß haben.«