Manches Herrliche der Welt
Ist in Krieg und Streit zerronnen.
Wer beschützet und erhält,
Hat das schönste Loos gewonnen.
Da wir nun soeben bei dem
Urteil über Schriftsteller alle Vergleichung abgelehnt, so möchte man sich
wundern, wenn wir unmittelbar darauf von einem Falle sprechen, in welchem wir
sie zulässig finden. Wir hoffen jedoch, daß man uns diese Ausnahme darum
erlauben werde, weil der Gedanke nicht uns, vielmehr einem Dritten angehört.
Ein Mann, der des Orients
Breite, Höhen und Tiefen durchdrungen, findet, daß kein deutscher
Schriftsteller sich den östlichen Poeten und sonstigen Verfassern mehr als Jean
Paul Richter genähert habe; dieser Ausspruch schien zu bedeutend, als daß wir
ihm nicht gehörige Aufmerksamkeit hätten widmen sollen; auch können wir unsere
Bemerkungen darüber um so leichter mitteilen, als wir uns nur auf das oben
weitläufig Durchgeführte beziehen dürfen.
Allerdings zeugen, um von der
Persönlichkeit anzufangen, die Werke des genannten Freundes von einem
verständigen, umschauenden, einsichtigen, unterrichteten, ausgebildeten und
dabei wohlwollenden, frommen Sinne. Ein so begabter Geist blickt, nach eigentlichst
orientalischer Weise, munter und kühn in seiner Welt umher, erschafft die
seltsamsten Bezüge, verknüpft das Unverträgliche, jedoch dergestalt, daß ein
geheimer ethischer Faden sich mitschlinge, wodurch das Ganze zu einer gewissen
Einheit geleitet wird.
Wenn wir nun vor kurzem die
Naturelemente, woraus die älteren und vorzüglichsten Dichter des Orients ihre
Werke bildeten, angedeutet und bezeichnet, so werden wir uns deutlich erklären,
indem wir sagen: daß, wenn jene in einer frischen, einfachen Region gewirkt,
dieser Freund hingegen in einer ausgebildeten, überbildeten, verbildeten,
vertrackten Welt leben und wirken und eben daher sich anschicken muß, die
seltsamsten Elemente zu beherrschen. Um nun den Gegensatz zwischen der Umgebung
eines Beduinen und unseres Autors mit wenigem anschaulich zu machen, ziehen wir
aus einigen Blättern die bedeutendsten Ausdrücke:
Barrierentraktat,
Extrablätter, Kardinäle, Nebenrezeß, Billard, Bierkrüge, Reichsbänke,
Sessionsstühle, Prinzipalkommissarius, Enthusiasmus, Zepter-Queue, Bruststücke,
Eichhornbauer, Agioteur, Schmutzfink, Inkognito, Colloquia, kanonischer
Billardsack, Gipsabdruck, Avancement, Hüttenjunge, Naturalisationsakte,
Pfingstprogramm, Maurerisch, Manualpantomime, Amputiert, Supranumerar,
Bijouteriebude, Sabbaterweg und so fort.
Wenn nun diese sämtlichen
Ausdrücke einem gebildeten deutschen Leser bekannt sind oder durch das
Konversationslexikon bekannt werden können, gerade wie dem Orientalen die
Außenwelt durch Handels- und Wallfahrtskarawanen, so dürfen wir kühnlich einen
ähnlichen Geist für berechtigt halten, dieselbe Verfahrungsart auf einer völlig
verschiedenen Unterlage walten zu lassen.
Gestehen wir also unserm so
geschätzten als fruchtbaren Schriftsteller zu, daß er, in späteren Tagen
lebend, um in seiner Epoche geistreich zu sein, auf einen durch Kunst,
Wissenschaft, Technik, Politik, Kriegs- und Friedensverkehr und Verderb so
unendlich verklausulierten, zersplitterten Zustand mannigfaltigst anspielen
müsse, so glauben wir ihm die zugesprochene Orientalität genugsam bestätigt zu
haben.
Einen Unterschied jedoch, den
eines poetischen und prosaischen Verfahrens, heben wir hervor. Dem Poeten,
welchem Takt, Parallelstellung, Silbenfall, Reim die größten Hindernisse in den
Weg zu legen scheinen, gereicht alles zum entschiedensten Vorteil, wenn er die
Rätselknoten glücklich löst, die ihm aufgegeben sind oder die er sich selbst
aufgibt; die kühnste Metapher verzeihen wir wegen eines unerwarteten Reims und
freuen uns der Besonnenheit des Dichters, die er in einer so notgedrungenen
Stellung behauptet.
Der Prosaist hingegen hat die
Ellebogen gänzlich frei und ist für jede Verwegenheit verantwortlich, die er
sich erlaubt; alles, was den Geschmack verletzen könnte, kommt auf seine
Rechnung. Da nun aber, wie wir umständlich nachgewiesen, in einer solchen Dicht-
und Schreibart das Schickliche vom Unschicklichen abzusondern unmöglich ist, so
kommt hier alles auf das Individuum an, das ein solches Wagstück unternimmt.
Ist es ein Mann wie Jean Paul, als Talent von Wert, als Mensch von Würde, so
befreundet sich der angezogene Leser sogleich; alles ist erlaubt und
willkommen. Man fühlt sich in der Nähe des wohldenkenden Mannes behaglich, sein
Gefühl teilt sich uns mit. Unsere Einbildungskraft erregt er, schmeichelt
unseren Schwächen und festiget unsere Stärken.
Man übt seinen eigenen Witz,
indem man die wunderlich aufgegebenen Rätsel zu lösen sucht, und freut sich, in
und hinter einer buntverschränkten Welt, wie hinter einer andern Scharade,
Unterhaltung, Erregung, Rührung, ja Erbauung zu finden.
Dies ist ungefähr, was wir
vorzubringen wußten, um jene Vergleichung zu rechtfertigen; Übereinstimmung und
Differenz trachteten wir so kurz als möglich auszudrücken; ein solcher Text
könnte zu einer grenzenlosen Auslegung verführen.
Ueber den eigentlichen Zustand eines aufmerksamen Reisenden habe ich
eigne Erfahrungen gemacht und eingesehen worin sehr oft der Fehler der
Reisebeschreibungen liegt. Man mag sich stellen wie man will so sieht man auf
der Reise die Sache nur von Einer Seite und übereilt sich im Urtheil; dagegen
sieht man aber auch die Sache von dieser Seite lebhaft und das Urtheil ist in
gewissem Sinne richtig. Ich habe mir daher Acten gemacht, worin ich alle Arten
von öffentlichen Papieren die mir eben jetzt begegnen, Zeitungen,
Wochenblätter, Predigtauszüge, Verordnungen, Komödienzettel, Preiscourante
einheften lasse und sodann auch sowohl das, was ich sehe und bemerke, als auch
mein augenblickliches Urtheil einhefte; ich spreche sodann von diesen Dingen in
Gesellschaft und bringe meine Meinung vor, da ich denn bald sehe in wie fern
ich gut unterrichtet bin, und in wie fern mein Urtheil mit dem Urtheil wohl
unterrichteter Menschen übereintrifft. Ich nehme sodann die neue Erfahrung und
Belehrung auch wieder zu den Acten, und so giebt es Materialien, die mir
künftig als Geschichte des äußern und innern interessant genug bleiben müssen.
Wenn ich bei meinen Vorkenntnissen und meiner Geistesgeübtheit Lust behalte,
dieses Handwerk eine Weile fortzusetzen, so kann ich eine große Masse
zusammenbringen.
… die Waldnern ist recht lieb,
ich war früh bey ihr, wir haben uns herumgeschäckert. Abends alle Durchlauchten
in Tiefurt. Ihr Mann war guter Humor, machte possierliche Streiche mit der
Oberhofmeisterinn. Ich hab die Hofleute bedauert, mich wundert dass nicht die
meisten gar Kröten und Basilisken werden.